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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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liebenswürdig. Unter dem Tisch trat sie mir auf den Fuß. Bin ich nicht die zweite Mata Hari?, sollte das heißen. Ich verschluckte mich. Frau Reichert starrte Mutter an, Tränen füllten ihre Augen.
    »Krystyna … Sie wissen es noch nicht?«
    »Was?«, fragten Mutter und Hüthchen wie aus einem Mund.
    Es klang, als hätten sie wochenlang für die Seniorentheatergruppe geübt. Frau Reichert stand auf, wankte theatralisch. Sofort sprang Gregor herbei und geleitete sie sicher hinaus.
    »Was hat sie denn?«, fragte Mutter. »Ist etwas mit der jungen Frau? Sie hat meinem Sohn gestern die Zimmer gezeigt. Er hat die ganze Zeit von ihr geschwärmt!«
    Die Erdbeersahne kam. Herr Trautwein stellte vorsichtig seine Tasse ab und rang nach Worten, um die traurige Nachricht in angemessener Form zu überbringen.
    »Krystyna Nowak ist gestern die Treppe hinuntergestürzt. Frau Reichert hat sie gefunden. Es war ein glatter Genickbruch. Schnell und schmerzlos.«
    Die Brillenschlange am Nebentisch wartete, bis das Mädchen gegangen war, dann beugte sie sich zu uns herüber. »Schon wieder eine Beerdigung. Vor zwei Monaten erst Herr Hagen, und jetzt …«
    »Waren Sie dabei? Bei der Beerdigung?« Mutters Frage hätte einen Tick zu begeistert geklungen, wenn nicht alle noch unter dem Eindruck der dramatischen Ereignisse gestanden hätten.
    »Natürlich! Ich habe ihn nicht allzu gut gekannt. Aber das macht man doch so, nicht wahr? Frau Wittich hat einen wunderschönen Kranz gespendet. Und erst das Gesteck von seinen Kindern, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Links und rechts, fast zwei Meter hoch. Da war Geld dahinter, sage ich Ihnen.«
    Trautwein nickte. »Die Camerers.«
    »Ja. Feine Leute, die Kinder.« Die Augen hinter den dicken Gläsern wirkten groß wie Golfbälle. »Sabine, John und sein Frau. Veronica heißt sie, nicht wahr? Eine italienische Prinzessin oder so was. Genauso hat sie auch ausgesehen. Die Haltung, der Blick, die Grazie … Nur der eine, der war merkwürdig.«
    Ich wurde hellhörig. »Wen meinen Sie?«
    Die Dame pickte mit der Gabel in ihrem Streuselkuchen herum. »Der hat nicht dazu gepasst. Alle waren so fein angezogen, nur er … Dabei ist auch er ein Sohn von Herrn Hagen. Erstaunlich, nicht wahr?«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte ich verblüfft. Offenbar gab es in solchen Häusern nichts, was geheim blieb. Meine Frage war wohl zu direkt.
    Die kleine Frau zog den Kopf zwischen die Schultern und sah nun aus wie eine Schildkröte mit Riesenbrille. »Ich will nicht indiskret sein.«
    Ich holte Luft – und sagte nichts, denn meine Mutter legte ihre Hand auf meine und nickte ihr bestätigend zu.
    »Sie haben ja so recht. Man muss wirklich nicht alles ans grausame Licht der Öffentlichkeit zerren. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn mein Sohn nichts von mir und Herrn Hagen erzählt hätte.«
    Trautwein unterbrach seinen Dienst an der Gabel. »Sie und Herr Hagen?«
    »Nein.« Meine Mutter lächelte bescheiden und zog ihre Hand wieder weg. »Nicht, was Sie denken. Eine Kinderei. Jugendliches Necken. Mehr nicht. Deshalb freue ich mich, dass er mit seinen Kindern so ein Glück hatte. Schön, ein wenig über ihn zu erfahren, nachdem ich zu spät gekommen bin, um ihn noch einmal wiederzusehen.«
    Die Brillenschlange fuhr ihren Hals langsam wieder aus. »Mein Beileid. Das wusste ich nicht.«
    »Es ist so lange her, dass es schon gar nicht mehr wahr ist. Ich habe nur einen Sohn. Er ist Anwalt. Das ist auch nicht schlecht, oder?«
    Trautwein und die Brillenschlange nickten. Hüthchen aß.
    »Helmfried hatte also zwei Kinder? Einen Sohn und eine Tochter?«, fragte meine Mutter so unschuldig, dass ich meinen Ohren kaum traute.
    »Drei«, flüsterte die Dame verschwörerisch. »Aber mit dem dritten stimmt etwas nicht. Kurz vor dem Tod von Herrn Hagen war er hier, der eine Sohn. Der, der so anders gewirkt hat. Er wollte seinen Vater sehen. Aber Frau Wittich hatte Anweisung, ihn nicht hereinzulassen. Wer weiß, aus welchen Gründen.«
    Trautwein brummte zustimmend.
    »Daher wusste Krystyna, dass Hagen noch einen Sohn hatte. Sie hat den Auftrag bekommen, ihn wegzuschicken. Ist das nicht eine Tragödie? Er hat sich sehr aufgeregt, der Sohn. Ich saß draußen im Pavillon und habe alles mitbekommen. Nur wenig später ist der Vater tot, und es hat keine Aussöhnung gegeben.«
    »Ja«, stimmte meine Mutter zu. »So war er schon als Kind. Nachtragend. Sehr nachtragend. Im Guten wie im Schlechten. Ich erinnere mich noch,

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