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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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ich vielleicht zu dir? Dort suchen sie mich doch zuerst. Ich werde deine Mutter und Frau Huth nicht aus den Augen lassen. Wir bleiben in Kontakt, rund um die Uhr. Sollten wir etwas herausfinden …«
    »Ihr sollt nichts herausfinden!«
    »Ich will meinen Tee.« Mutter holte wieder dieses unsägliche Taschentuch aus ihrer Handtasche. »Du kannst ja mitkommen und auf uns aufpassen. Aber ich habe Verabredungen getroffen. Verbindlichkeiten. Ich bin keine Schachfigur auf deinem … deinem …«
    »Brett«, ergänzte Hüthchen.
    »Tee.« In diesem Haus waren vielleicht zwei Morde geschehen, und meine Mutter gelüstete es nach Tee. »Gut. Trinken wir Tee. Danach reden wir weiter.«
    Draußen vor der Tür hatten sich die Nachbarn verzogen, aber die Aufzüge waren in Betrieb. Schräg gegenüber verließ gerade der Schachspieler sein Zimmer. Er hatte sich umgezogen und trug nun ein leichtes Nachmittagsjackett zu einem weißen Hemd und einer dezenten Krawatte, die er im Gehen noch einmal richtete. Er blieb stehen, um dem Gänsemarsch hinter mir den Vortritt zu lassen.
    »Ah!«, rief er aus, als hätte er bei Leuthen die Österreicher entdeckt. Mutter und ich zuckten zusammen. »Das sind also die Neuankömmlinge?« Er reichte jeder, auch Marie-Luise, die Hand und deutete eine leichte Verbeugung an. »Jürgen Trautwein mein Name. Meine Verehrung.«
    Gemeinsam erwischten wir einen Fahrstuhl. Trautwein ging voran und geleitete die Schar sicher in den großen Speisesaal. Auf einem kleinen Podium hinten in der Ecke stand ein Klavier. Der Pianist versuchte sich gerade an »G’schichten aus dem Wienerwald«.
    »Wo möchten Sie gerne sitzen, Frau Vernau? Am Klavier? Oder eher am Fenster?«
    »Am Fenster wäre hübsch«, flötete sie.
    Herr Trautwein blieb bei uns. Das führte zu einigem Getuschel, denn eigentlich saß er einen Tisch weiter, mit drei anderen Damen, die sich gerade die Hälse verrenkten. Mir war das alles zu viel Aufmerksamkeit. Am liebsten hätte ich Mutter, Hüthchen und Das Fräulein in eine Abstellkammer oder besser gleich ins Auto verfrachtet. Gregor eilte herbei und überreichte mir die Schlüssel.
    Ein hübsches Mädchen in adrettem Kittel kam zu uns und nahm die Bestellung auf. Kaffee oder Tee. Die Damen nahmen Tee, die Herren Kaffee. Trautwein fing schon an, mir väterlich zuzunicken.
    »Außerdem können Sie heute zwischen Butterstreuselkuchen, Frankfurter Kranz und Erdbeersahne wählen.«
    Es dauerte eine Weile, bis diese Herausforderung bewältigt war. Dann war das Mädchen weg, und Trautwein ließ die Katze aus dem Sack.
    »Sie sind eine Bekannte von Herrn Hagen? Verzeihen Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten.«
    Mutter schenkte mir wieder einen dieser hilflosen Blicke.
    »Der Verstorbene und meine Mutter stammen beide aus Grünberg«, sagte ich. »Beide Kinder, als der Krieg sie auseinanderriss. Sind Sie ihm noch begegnet?«
    »Nein, leider nicht. Ich bin erst nach seinem Ableben hier eingezogen. Sie wollen sicher ein wenig über ihn erfahren, nicht wahr?«
    »Lieber nicht«, unterbrach ich ihn. »Es ist zu schmerzlich für sie. Abschied … ein scharfes Schwert.«
    »Oh ja.« Trautwein lehnte sich zurück, weil der Kaffee serviert wurde. »Das kenne ich. Meine Frau ist vor einem Jahr verstorben. Krebs. Was sage ich Ihnen.«
    »Mein Beileid«, murmelte Mutter.
    Marie-Luise stand auf, sagte: »Ich habe vergessen, mir die Hände zu waschen«, und ging hinaus.
    »So werden es immer weniger. Freuen wir uns deshalb, wenn der Zufall uns das Geschenk neuer Freundschaft schenkt. Meine Damen?«
    Er hob die Kaffeetasse. Glücklicherweise kam in diesem Moment der Tee. Eine der Späherinnen am Nebentisch wurde immer unruhiger. Schließlich stand sie auf und kam zu uns.
    »Oh! Ist hier gerade frei geworden?«
    Bevor ich widersprechen konnte, lächelte Mutter sie auch schon an. »Frau Reichert! Ja, nehmen Sie doch kurz Platz. Unsere Ma… Mathilde kommt bestimmt gleich wieder, aber bis dahin …«
    Frau Reichert setzte sich. Nun trug sie eine bequeme Gabardinehose und eine rosafarbene Polyesterbluse. Ihr graues, dünnes Haar hatte ein Meister seines Fachs zu großen Wellen aufgetürmt. Sie lächelte, doch ihre Hände fuhren nervös über die Tischdecke.
    »Hoffentlich kommt der Arzt bald. Ich brauche unbedingt etwas zum Schlafen.«
    Ich probierte den Kaffee. Er war dünn und keinesfalls geeignet, mich um die Nachtruhe zu bringen.
    »Vielleicht kann Ihnen Krystyna etwas bringen?«, fragte meine Mutter

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