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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Leben verratene Mann mit dreißigtausend Euro abgespeist werden sollte?«
    Sie nahm eine der gestärkten Servietten und entfaltete sie sorgfältig, bevor sie sie sich auf die Knie legte. »Ich muss gestehen, dass wir in dieser Angelegenheit Herrn Doktor Sinter weitgehend freie Hand gelassen haben. Es ging zunächst um eine Abschlagssumme. Es gab einen Ehevertrag, aber natürlich hätte Herr Schwerdtfeger ohne diesen ganz anders ausgesehen. Ich weiß, dass Sie im Namen von Frau Fellner, der Schwester des Verstorbenen, Ansprüche geltend gemacht haben. Wir sind dabei, sie zu prüfen.«
    Die Sache zog sich bereits seit Monaten hin. Sinter war ein Verhinderer vor dem Herrn.
    »Das hilft Frau Fellner nicht weiter. Sie haben gerade eine Unsumme für zwölf Flaschen verstaubten Wein hingelegt. Wie lange wollen Sie die Frau noch zappeln lassen? Ich erwarte eine umgehende, wohlwollende Lösung dieser Angelegenheit.«
    Sie strich über die Serviette. Dann führte sie ihre Teetasse zum Mund und trank einen kleinen Schluck. »Was hat ihr diese Zeitung angeblich geboten?«
    »Hundertfünfzigtausend.«
    »In Ordnung«, antwortete sie. Zu schnell. »Ich werde Herrn Doktor Sinter die Anweisung geben, die Summe sofort bereitzustellen.«
    Ich ärgerte mich. Bei meinem Lauf hätte sich wahrscheinlich das Doppelte herausschlagen lassen.
    »Aber … Wir konnten das Interesse an Johns und Nickys Inhaftierung bisher gering halten«, fuhr sie fort. »Im Januar beginnt der Prozess. Eine gewisse mediale Aufmerksamkeit wird es sicher geben. Die Auszahlung hängt in nicht unerheblichem Maße davon ab, ob Frau Fellner diese Aufmerksamkeit schürt oder nicht. Werden Sie mit ihr reden?«
    Ich biss von meinem Sandwich ab. Gurke. »Wohlwollend.«
    »Gut. Dann hätte ich noch etwas für Sie.«
    Sie stand auf, legte die Serviette neben ihren Teller und ging zu einem Sekretär in der Fensternische.
    »Lecker«, sagte ich zu Marie-Luise. Sie hatte noch nicht einmal ihren Tee angerührt. »Da sind auch noch welche mit Lachs.«
    Frau Camerer kam zurück und reichte mir eine Mappe aus feinstem, handschuhweichem Leder. Ich wischte mir die Finger ab und nahm sie entgegen.
    »Was ist das?«
    »Kopien der Briefe von Walther Hagen an seine Frau Rosa. Meine Großmutter ist kurz vor Kriegsende nach Hamburg zurückgekehrt und hat meinen Vater und meine Tante Eleonore alleine aufgezogen. Sie hat nie wieder geheiratet. Ihr ganzes Leben glaubte sie, ihr Mann wäre gefallen. Ich bin froh, dass sie diese Briefe nicht mehr lesen konnte. Und andererseits traurig, denn sie zeigen das Bild eines verzweifelten Mannes, der zum Schluss immerhin die Größe hatte, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Ich habe kaum etwas von der Familiengeschichte der Hagens gewusst und ebenso wenig über meinen Großvater.«
    »Was sollen wir damit?«
    Sie nahm wieder Platz und legte sich die Serviette zurecht.
    »John … John ist mein Bruder. Ich liebe ihn, trotzdem sind wir uns fremd. Ich bin nie zu ihm durchgedrungen. Schon als kleiner Junge war er immer mit dem Kopf in den Wolken. Später dann, im Studium, war klar, dass er nie in die Firma einsteigen würde. Ich war der Nachfolger, nicht er. Die Frauen in unserer Familie hatten Biss. Die Männer ließen sich eher treiben. John wurde ausbezahlt. Was immer Sie über Größe und Umfang unseres Vermögens denken, es entspricht nicht den Tatsachen. Das meiste Kapital steckt in der Firma. Ich habe keine Kinder, weshalb ich mein Vermögen eines Tages wahrscheinlich in eine Stiftung einfließen lasse. John hingegen hat viereinhalb Millionen Euro erhalten. Ihm ist diese Summe innerhalb weniger Jahre durch die Finger geglitten.«
    Da sonst niemand ein Lachs-Sandwich aß, nahm ich mir eines.
    »Er wollte mehr. Ich gab ihm mehr. Nach zwei Jahren war auch dieses Geld verschwunden. Er hatte es in wertlose Immobilien gesteckt, war windigen Finanziers ins Netz gegangen, hatte sich auf Börsengeschäfte eingelassen und wurde im Sog der Finanzkrise hinabgezogen. Ich dachte, dass er mit Nicky jemanden gefunden hätte, der ihm Halt gibt. Leider habe ich mich getäuscht.«
    »Hoffen Sie auf unser Mitgefühl?«, fragte Marie-Luise scharf.
    »Nein. Auch nicht auf Ihr Verständnis. Ich möchte Ihnen nur die Gründe darlegen, die letzten Endes zu dieser Katastrophe geführt haben. Horst Schwerdtfeger ist von einer Pflegerin angesprochen worden, die durch einen unglaublichen Zufall in den Besitz dieser Briefe gekommen war. Sie war Polin und lebte mit ihrer

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