Versunkene Gräber - Roman
gemeinsame Bekannte nicht gut aus. Auf der Tatwaffe befinden sich Fingerabdrücke. Die gleichen hat man in Zielińskis Schlafzimmer gefunden.«
Und dir dazu, Marie-Luise. Ich dachte, du wärst endgültig durch mit ihm?
»Wie wir alle wissen, ist Frau Hoffmann polizeibekannt und ED.«
Erkennungsdienstlich behandelt. Sie hatte in ihrer aktiven Phase an vielen Demonstrationen teilgenommen und war dabei mehrmals festgenommen worden. Ihre Fingerabdrücke waren gespeichert. Das wusste ich, das wusste Vaasenburg, das wusste auch Marie-Luise.
»Der Abgleich heute Morgen war positiv.«
»Ihre Fingerabdrücke auf der Tatwaffe?«, fragte ich ungläubig.
»Jep.«
»Das heißt gar nichts. Was war es? Eine Pistole? Ein Messer?«
Vaasenburg presste die Lippen aufeinander. Täterwissen. Und ich dachte, wir wären hier »unter drei«. Ich verfluchte Jacek. Es war unverzeihlich, in was er Marie-Luise da hineingerissen hatte.
Sie gehörte zu den Menschen, die auch nach dem Ende einer Beziehung noch Kontakt zu ihren Exlovern hielten. Wen ich mal geliebt habe, den gebe ich nicht einfach auf, hatte sie mir einmal mit ihrem Grinsen, frech wie eine Straßenkatze, erklärt. Es hatte geklungen, als wäre ich ohne sie schutzlos den Versuchungen der Hölle ausgeliefert.
Der erste Kaffee war fertig. Vorsichtig balancierte Vaasenburg die Tasse in meine Richtung. Sie war sehr heiß, fast hätte ich sie fallen gelassen.
»Gibt es schon einen Einblick in die Akten? Irgendetwas Näheres zum Tatvorwurf?«
Er zuckte mit den Schultern und wendete sich ab, um die Maschine ein zweites Mal zu bedienen.
»Sie wissen selbst, dass wir in diesem Fall nichts anderes als die ausführende Behörde sind. Wir fahnden nach Frau Hoffmann, nehmen sie fest und liefern sie nach Polen aus. Die deutschen Justiz- und Polizeibehörden sind zur Suche und Festnahme verpflichtet. Sie müssen sich an den ermittelnden Staatsanwalt wenden oder, noch besser, an Zielińskis Anwältin.«
Während sein Kaffee in die Tasse lief, warf er einen kurzen, suchenden Blick auf seinen Monitor.
»Zuzanna Makowska?«, fragte ich.
»Sie kennen die Dame?«
»Frau Makowska war gestern in Berlin. Sie hat Herrn Zieliński nicht erwähnt, aber ebenfalls nach Frau Hoffmann gefragt. Allerdings … Ich hatte nicht den Eindruck, dass es zu dem Zeitpunkt schon so ernst war.«
»Das hat sich durch die Fingerabdrücke geändert. Reine Routine – bingo.«
Ich hasste dieses Wort. Vor allem in diesem Zusammenhang.
»Welche Möglichkeiten haben Sie, in Polen zu ermitteln?«
»Keine.«
»Welche Möglichkeiten habe ich als Anwalt …«
»Keine.«
Er nahm seinen Kaffee und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl krachen. Alles an ihm wirkte müde. Der schwere Blick, die langsamen Bewegungen. Vorsichtig trank er einen Schluck.
»Es sei denn, Sie Wunderknabe haben eine Zulassung als Anwalt in Polen, was ich allerdings bezweifle. Wir müssen sie finden.«
Mir war nicht ganz klar, wen er mit wir meinte. Vermutlich sich und seine Kollegen. Wir hatten ein paarmal miteinander zu tun gehabt. Er hatte sich als so loyal erwiesen, wie es der Spagat zwischen seiner hoffentlich noch vorhandenen Sympathie für Marie-Luise und seinem Beamteneid erlaubte. Im Zweifel stand er für das Grundgesetz und damit die Verfassung. Marie-Luise und ich hatten uns mehr als einmal gehörig über rechtsstaatliche Grenzen hinausgewagt. Ich würde niemals so weit gehen zu behaupten, er hätte darüber hinweggesehen. Das würde ihn beleidigen. Er hatte vorgezogen, das eine oder andere nicht zu wissen . Das war ein Unterschied.
»Ihnen ist bewusst, wie lächerlich das ist«, sagte ich. »Ich kenne Jacek Zieliński. Er ist ein rüder Geselle. Ein Automechaniker, der ab und zu einen über den Durst trinkt. Er ist …«
… mój brat – mein Bruder. Vor langer Zeit hatte er das einmal zu mir gesagt, voll bis zur Kragenkante mit polnischem Wodka. Wer nimmt schon ernst, was einem in diesem Zustand gesagt wird? Trotzdem hatte ich es nicht vergessen. Mich hatten nicht viele Männer in meinem Leben Bruder genannt. Etwas von diesen Zeiten klang noch in mir nach. Etwas, das mich dazu zwang, mir um Jacek Gedanken zu machen.
»Er ist weder ein Mörder noch ein Totschläger«, fuhr ich fort. »Und Marie-Luise erst recht nicht. Ich weiß nicht, in was die beiden da hineingeraten sind …«
»In einen Mord, Herr Vernau.«
»Wie können Sie da so sicher sein? Was sagt das rechtsmedizinische Gutachten? Ist
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