Versunkene Inseln
Teil des Bettes nieder.
„Nun, wie fühlen Sie sich?“
Ich zuckte mit den Achseln und lehnte meinen Rücken an die kühlen Ergpolster des Bettes. Ich mochte Hoskins fast. Für gewöhnlich hielten es meine Ärzte zwischen fünf und sieben Jahren aus, bevor sie die Gerontologie aufgaben, oder, was noch wahrscheinlicher war, die Medizin überhaupt (was aber nicht meine Schuld ist, wie ich hier rasch hinzufügen muß). Doch Hoskins wandelte bereits seit fast elf Jahren in meinem Kielwasser, und wenn sie mir in dieser Zeit nicht sympathisch geworden war, dann hatte ich doch zumindest gelernt, sie zu tolerieren und zu schätzen.
„Wie üblich“, sagte ich. „Alles generalüberholt, Kolben und Getriebe geschmiert, der Motor wieder zu Höchstdrehzahlen bereit. Wie hat es geklappt?“
„Bestens. Die Nieren halten noch ein Jahr, doch die Leber werde ich im Auge behalten müssen. Die Drüsen arbeiten einwandfrei. In dieser Beziehung sollten Sie für, äh, zwei, drei weitere Jahre oder so keine Beschwerden haben. Ihre Lungen sind gespült worden.“
„Ja, das habe ich bemerkt.“
Sie runzelte die Stirn, und ihr weiches, rundliches Gesicht sah mich nachdenklich an. „Ich wünschte, Sie erzählten uns, wie Sie das fertigbringen … dieses Hineintasten in den eigenen Körper.“
Oh, wie sehr diese Frage sie doch alle beschäftigte! In den letzten fünf und vierzig Jahren hatte ich sie immer wieder gehört, in mehr oder weniger subtilen Variationen, und ich hatte längst aufgehört, mich darüber zu ärgern. Aber die Antwort, wie auch der mysteriöse Schmerz in meinem Rücken, war etwas, das ich ganz für mich behielt. Sollten sie doch spekulieren und theoretisieren und postulieren – zumindest diese Dinge gehörten ganz mir.
„Ich habe es Ihnen doch schon erklärt“, log ich. „Es steht alles in den alten Büchern über Meditation, die Zuwendung zum inneren Kosmos. Es ist nur eine Frage der Übung.“
„Aber Sie können es nicht kontrollieren, oder?“
„Das Stadium der Bewußtheit schon. Aber was in meinem Inneren vorgeht, kann ich nicht beeinflussen, nicht mehr als Sie. Ich kann nur beobachten.“ Und soviel entsprach zumindest der Wahrheit.
Sie zupfte geistesabwesend an ihrem bernsteinfarbenen Haar, und ihre Mundwinkel zogen sich ein wenig zusammen, als sie ihre Gedanken sammelte. „Wie Sie wissen, hat Dr. Evert zehn Jahre lang versucht, das fertigzubringen, was Sie bewerkstelligen.“ Ich nickte. „Es gelang ihm einfach nicht. Er schaffte es bis zu den Vorstadien, doch die letzte Hürde konnte er nicht überwinden.“
„Vielleicht machen es die Immortalitätsbehandlungen unmöglich“, gab ich boshaft zurück. „Vielleicht muß man sterblich sein, um in diesen inneren Kosmos tauchen zu können.“
„Unsinn“, erwiderte sie barsch. Sie erhob sich, glättete eine Falte in ihrer weichen Tunika, sagte mir, ich könne in einer Stunde gehen, und verließ das Zimmer – sie hatte die übliche Frage gestellt und die gewohnte Antwort erhalten. Es muß ihr sehr zu schaffen gemacht haben, immer wieder mit einem Problem konfrontiert zu werden, das sie nicht lösen konnte. Eine Tiefe in mir, ein entlegener Winkel, ein Bruchstück, das sie nicht sondieren und analysieren konnte mit ihren Maschinen, ihren Aufzeichnungen, ihrem Wissen. Es freute mich, daß sie nicht in der Lage waren, meine Psyche auszuloten und meine Pein zu entdecken. Ich kletterte aus dem Bett, zog die Vorhänge von den Fenstern und blickte auf die draußen im Garten blühenden Pflanzen.
„Nur eine Frage der Übung“, hatte ich ihr erklärt. Als ob ich Bescheid wüßte. Es war vor vielen Jahrzehnten, als ich zum erstenmal in meine innere Welt hineinfiel, damals im Orbit einer wütend lodernden Sonne. Und ich verstand diesen Vorgang kaum besser als sie.
11
Vor fünfzig Jahren hatte ich mit einem nachhaltigen Schock eine andere Klinik verlassen und vergeblich versucht, festen Boden unter den Füßen zu finden.
Es dauert eine Weile, bis bedeutende Erkenntnisse verarbeitet sind, bis man ihnen den richtigen Bewußtheitsgrad zugeordnet hat und sie in der Seele fest verankert sind. Ich stolperte aus der Klinik hinaus in den grellen und heißen Sonnenschein Südafrikas und begriff nicht ganz, was mit mir geschehen war, was man mir erklärt hatte. Sterblichkeit war unfaßbar, und als ein Kind meiner Zeit fiel es mir schwer, alle kulturellen Maximen zu vergessen und die unglaubliche Wahrheit zu akzeptieren. An Bord des Kreuzers, nach
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