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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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wäre.
     

12
     
    Ich steuerte meinen abgenutzten Wagen rückwärts die Zufahrtrinne hinab in die Garage hinein und entdeckte einen Hüpf er, der an der Tür geparkt war. Seltsam. Wer sollte mich hier besuchen? Dann sah ich das Chrom, die Dellen in den hinteren Tragflächen, die glänzenden, kirschroten Sitze. Der Hüpf er von Tobias. Aber der Fahrersitz war zu weit nach vorn geschoben, als daß dieser große Scheißkerl noch Platz hinter den Kontrollen gefunden hätte, und Tobias würde seinen Hüpf er nie unter einem Dach abstellen. Ich zerbrach mir noch immer den Kopf darüber, als ich langsam von der Garage zum Haus ging.
    Paul und Jenny saßen auf einem tiefer gelegenen Balkon, der sich halb um einen Kubus aus Rotholz herumwickelte, und sie winkten mir zu, als ich mich dem Vordereingang näherte. Natürlich. Sie mußten sich den Hüpf er von Tobias ausgeliehen haben und selbst hierher geflogen sein. Was erstens bedeutete, daß sie über meinen Fahrstil entsetzter gewesen waren, als ich geglaubt hatte, und zweitens, daß einer von ihnen bereits mit Tobias geschlafen haben mußte oder es in absehbarer Zeit zu tun beabsichtigte. Tobias lieh nie etwas aus, ohne sicher zu sein, auch eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Ich winkte zurück, betrat das Haus und polterte die hölzerne Wendeltreppe hinab. Ich kam an den schimmernden Buntglasfenstern vorbei, an den kleinen Simsen, auf denen Topfpflanzen standen, und trat dann in die Küche. Meine Gäste hatten sich bereits selbst das Essen zubereitet. Die Abstellfläche an der Spüle war übersät mit leeren Nahrungsbehältern, und die Zubereiter wiesen ungewohnte Justierungen auf. Ich warf den Abfall in den Müllschlucker und stellte die Kontrollen der Geräte wieder meinen eigenen Wünschen entsprechend ein, bevor ich weiter hinunterging. Am Fuß der Treppe fand ich zwei Lifter, die auf der untersten Stufe flüchtig aufeinandergelegt waren. Lifter! Natürlich, sie wurden benutzt, um durch Zugangsschächte aufzusteigen oder hinabzusinken. Aber so jung und kräftig wie sie waren, sollten sie eigentlich in der Lage sein, während des einen bis zum Auslaufen der Ilium noch verbleibenden Tages die Treppe zu benutzen. Ich war versucht, die Energiekapseln aus den Geräten zu entfernen, doch dann ließ ich sie einfach liegen. Meine Gäste mochten sich einige blaue Flecken holen, wenn sie sie zu benutzen versuchten. Das Treppenhaus wand sich nicht an der Seite eines zentralen Schachtes in die Höhe, sondern schlängelte sich spiralenförmig einige Male um sich selbst und schuf sich somit seine eigene Decke. Wenn sie die Lifter benutzten, mußten sie sehr langsam aufsteigen und dabei gehörig achtgeben.
    Ich hatte angenommen, Paul und Jenny wären nackt, aber als ich hinaustrat auf den offenen Balkon, konnte ich den leichten Schimmer von Ergblasen erkennen, in die sie gehüllt waren. Lifter, Hüpf er – nein, so sagte ich mir, sie hätten über sich selbst hinauswachsen müssen, um sich einfach so und ohne jeden Schutz Wind und Sonne auszusetzen. Jenny schenkte mir ein weiches Lächeln und deutete mit der Hand aufs Meer. „Es ist herrlich, nicht wahr? Die Sonne hinter uns und ihr Licht, das sich auf den Wellen spiegelt … Ich habe noch nie einen Sonnenuntergang aus dieser Perspektive gesehen.“
    Ich nahm Platz und blickte ebenfalls hinaus. „Wenn ihr morgen früh aufsteht, könnt ihr den Sonnenaufgang beobachten. Das Licht sickert hinter den fernen Hügeln dort hervor und streichelt dann die Wogen. Es ist phantastisch.“
    Jenny nickte, und ihre Augen klebten noch immer an dem verblassenden Glühen der im Westen untergehenden Sonne. Ich spürte Pauls Blick auf mir und wandte mich zu ihm um. Er sah mich mit unverhohlener Neugier an, nickte kurz und musterte mich weiter. Sicher hatte ihnen jemand auf der Ilium erzählt, daß ich heute zur Generalüberholung fortgeflogen war – ich konnte mir vorstellen, wie ihnen hinter vorgehaltener Hand und mit bedeutungsschwangerer Stimme diverse Mißdeutungen geschildert worden waren. Ich hoffte, daß Greville und nicht ausgerechnet Tobias sie eingeweiht hatte. Greville hätte seine Version in der ernsten und übergenauen Weise dargelegt, an der er soviel Gefallen fand, seit er zum „Wissenschaftler“ geworden war. Tobias aber hätte die Geschichte breitgetreten und durchtränkt mit all dem faszinierten Entsetzen eines Kindes, das vom schwarzen Mann spricht. Nun, es spielte keine Rolle; ich rechnete nicht damit, daß Paul und Jenny

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