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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Prolog
    Das Haus
Zur schönen Frau
lag in einer der übelsten Gassen Kölns, der Schwalbengasse beim Berlich. Das hielt den Ratsherrn Thönnes van Kneyart jedoch auch heute, am heiligen Sonntag, nicht davon ab, an die Tür des Dirnenhauses zu klopfen.
    Ein paar Schweißperlen rannen ihm über den Nacken in den Kragen. Der Spätsommer gab sich jetzt, Mitte September, noch einmal größte Mühe. Die Sonne stach von einem beinahe unwirklich blauen Himmel herab, und die Luft flirrte vor Hitze. Über allem lag der Gestank der Abortgruben. Es war erst kurz nach Mittag, und die Menschen hatten sich in ihre kühlen Häuser zurückgezogen.
    Mutter Berta, die Hauswirtin des Dirnenhauses, war in Wirklichkeit niemandes Mutter, sondern stand den Hübschlerinnen vor. Sie öffnete den Freiern die Tür, hieß sie mit einem überaus wohlwollenden Lächeln willkommen und sorgte dafür, dass jeder das bekam, wonach ihn gelüstete. Nachdem einige Münzen den Besitzer gewechselt hatten, führte sie den Ratsherrn persönlich die Treppen zu den Gemächern hinauf. Elsbeth erwarte ihn bereits sehnsüchtig, behauptete sie, nicht wissend, dass dies sogar der Wahrheit entsprach. Van Kneyart wusste es im Gegensatz zu ihr jedoch genau, und auch er war, wie so oft in letzter Zeit, voll ungeduldiger Vorfreude.
    Zur gleichen Zeit, als der Ratsherr die Kammer derHübschlerin Elsbeth betrat, schlenderte ein hochgewachsener Dominikanermönch an dem Hurenhaus vorbei. Beim Anblick der allzu üppigen steinernen Frauenfigur vor dem Eingang verzog er missbilligend das Gesicht und blieb stehen. Dies war also der Sündenpfuhl, von dem ihm seine Kölner Mitbrüder erzählt hatten. Die Schlangengrube. Beim Gedanken an die unaussprechlichen Dinge, die hinter den weißgekalkten Mauern des zweigeschossigen Hauses vor sich gingen, durchfuhr ihn ein Schauer. Unzucht war ihm verhasst. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kuppelhäuser auszuräuchern und die Bewohnerinnen mit allen Mitteln wieder der Heiligen Mutter Kirche und dem Herrn zuzuführen.
    Als der Kutscher eines vorbeirumpelnden Ochsenfuhrwerks ihm eine obszöne Bemerkung über lüsterne Ordensbrüder zuwarf, verdüsterte sich die Miene des Mönchs. Er schob seine Hände in die Ärmel seiner makellos weißen Kutte und verschränkte sie vor dem Bauch.
    Die Hitze schien ihm nichts auszumachen. Vielmehr umgab ihn eine kaum greifbare Kühle, die aus seinem Inneren zu kommen schien. Die wenigen Menschen, die ihm begegneten, wichen ihm unbewusst aus.
    Mit geschmeidigen Schritten ging er den schmalen Pfad zur Rückseite des Hauses und spähte in den von einem niedrigen, mit Efeu überwucherten Zaun umgebenen Garten. Dort lagen Wäschestücke zum Bleichen im Gras. Ein junges Mädchen in Holzpantinen und einem fadenscheinigen Kittelchen hackte Holz. Ehe sie ihn bemerken konnte, hatte er bereits den Rückzug angetreten. Er überquerte die Gasse und wandte sich Richtung Zeughaus. Für heute hatte er genug gesehen.Als ein gutes Stück hinter ihm lag, hörte er aus dem Hurenhaus plötzlich hysterisches Schreien. Er blieb stehen und drehte sich um. Auch zwei Fuhrknechte, die einige Häuser weiter eine große Karre mit Bierfässern entluden, wurden aufmerksam, und etliche Gassenjungen kamen herbeigerannt und gafften. Aus dem Geschrei waren deutlich die Worte «Zu Hilfe!» herauszuhören. Der Dominikaner verzog den Mund zu einem wölfischen, fast triumphierenden Grinsen. Die Frucht der Sünde schien einmal mehr herabgefallen zu sein. Mitleid mit der Kreischenden empfand er keines.
    In diesem Moment flog die Tür des Hurenhauses auf und ein hünenhafter Bursche, wohl ein Knecht, rannte an ihm vorbei, als habe er den Teufel gesehen.
    «Zum Büttel, Mattes! Lauf zum Büttel!», schrie die Hauswirtin dem Burschen nach. Dann fiel die Tür wieder ins Schloss.
    Der Dominikaner wollte sich keinesfalls der Sünde der Neugier schuldig machen, dennoch blieb er noch einen Augenblick stehen. Lange genug, um mitzubekommen, wie sich eine alte, ziemlich große und spindeldürre Frau in aller Heimlichkeit aus einer kleinen Pforte an der Seite des Hurenhauses stahl. Ihr Gesicht und Haar waren von einem grauen Tuch fast vollständig verhüllt. Am Arm trug sie einen großen runden Korb, dessen Inhalt sorgsam mit einem Tuch bedeckt war. Die Frau blieb an der Hausecke stehen und blickte sich in alle Richtungen um. Dann lief sie zielstrebig los. Als sie an ihm vorbeikam, konnte er einen kurzen Blick auf ihr Gesicht erhaschen. Seine Augen

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