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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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für die Unsterblichen, die öfters mit ihm zu tun hatten. Daß er sich nicht nach Australien zurückgezogen hatte war mir ein Rätsel und flößte mir Respekt ein. Ich glaube, ich wäre nie in der Lage gewesen, soviel Mut aufzubringen. Aber das mochte ich ihm nicht sagen.
    Li kam wie immer zu spät, schob sich in einen Ergsessel und rutschte einige Male hin und her, damit sich die Kraftfelder der massigen Gestalt anpaßten. Jenny und Tobias traten vom Fenster fort und setzten sich in die Nähe von Hart und Lonnie. Paul nahm schließlich direkt neben Lonnie Platz. Wir waren alle versammelt. Greville machte eine rasche Runde durchs Zimmer, um jeden einzelnen von uns ostentativ zu begrüßen, und als ich an der Reihe war, drückte er mir mit seiner üblichen widerstrebenden Herzlichkeit die Hand.
    „Wie geht’s, Tia?“ Sein braunes Gesicht verzog sich und zeigte das Zerrbild eines Lächelns.
    „Gut. Und selbst?“
    Er ließ meine Hand so rasch wieder los, wie es ihm möglich war, ohne unhöflich zu wirken. „Viel Arbeit, viel Arbeit, wie immer.
    Hallo, Benito.“ Er machte keine Anstalten, auch ihm die Hand zu schütteln.
    Benito brummte irgend etwas, und Greville kehrte mit allem wissenschaftlichen Ernst, den er auszudrücken vermochte, zum vorderen Bereich der Brücke zurück. Greville hatte sich zu der Zeit entschieden, zu einem Wissenschaftler und Forscher zu werden, als ich vom Mars zurückgekehrt war. Und nachdem alle seine Studien und Lehrgänge abgeschlossen waren, hatte er sich das Klischee vom wissenschaftlichen Gebaren zu eigen gemacht, bis Maske und Identität ein und dasselbe geworden waren. Er liebte es, Brillen zu tragen, randlose Nasenreiter, und er hatte sich sein üppiges, schwarzes Haar an den Schläfen grau gefärbt, so daß sein Kopf nun wie die Blüte einer verwelkenden Steppenhexe aussah. Fürchterlich ernst, pedantisch, korrekt bis hin zur Besessenheit – bei jeder Reise hielt er „Einweisungs“-Reden, steckte unseren Kurs ab, überwachte jeden Tauchgang von seiner sicheren Höhle auf der Brücke der Ilium aus und verhielt sich ganz allgemein so, wie sich seiner Meinung nach der Leiter einer bedeutenden wissenschaftlichen Expedition verhalten mußte. Und tatsächlich: Wenn es irgend etwas Wissenschaftliches gab, das auch nur ganz entfernt mit der Forschungsaufgabe der Ilium zu tun hatte, dann fiel es in den Verantwortungsbereich von Grevilles Autorität, in der er sich so sonnte. Ich konnte mir vorstellen, daß er in hundert Jahren mit der gleichen ernsten Pedan terie einen Tauchgang in die Tiefen von Jupiters Atmosphä re skizzierte und erläuterte – vorausgesetzt, er wandte seine „Wissenschaft“ nicht anderen Untersuchungsobjekten zu. Greville wußte, was wir suchten, aber erfühlte es nicht; der Zauber unseres Unternehmens hatte keinen Platz in seinen Berechnungen.
    „Ähem“, begann Greville mit einem Räuspern. „Guten Morgen. Ich freue mich, Sie alle an Bord begrüßen zu dürfen und Sie bereit zu wissen für unsere dritte Reise nach den versunkenen Inseln von Hawaii. Ich glaube, Sie kennen sich alle, auch unsere beiden Gäste auf dieser Fahrt, Paul Ambuhl und Jenny Crane. Äh, ja. Wir hoffen, daß uns diese Reise sowohl weitere Erkenntnisse als auch Unterhaltung beschert. Äh, tja. Hier haben wir eine Karte des nördlichen Pazifik. Wir befinden uns hier, äh, über dem großen Küstenriff; unsere Gäste wissen vielleicht nicht, daß dieses Riff einst den westlichsten Ausläufer des nordamerikanischen Kontinents darstellte. Äh, Kalifornien? Ja. Von hier aus laufen wir die versunkene Inselgruppe von Hawaii an, und auf dieser Forschungsreise beabsichtigen wir, die Ruinen der einst größten Insel dieser Gruppe zu untersuchen, von Hawaii selbst. Die Inselgruppe von Hawaii, einstmals Spielwiese und Erholungsort der Bewohner von Nordamerika, lag in einem beständigen, warmen Windstrom und inmitten eines warmen Meeres. Die Vegetation war so üppig, daß eine industrielle Nahrungsproduktion nie notwendig war. Bewohnt wurden die Inseln von einer freundlichen, braunhäutigen Rasse, die ihre Zeit damit verbrachte, Musik zu spielen und mit Holzbrettern auf den Wellen zu reiten. Wie es der Zufall so will, war dieses Volk der Erfinder des modernen Wasserski-Sports.“
    Uneingedenk des Unsinns dieser Ausführungen hielt Greville kurz inne, damit seine Zuhörer diese Bemerkungen verarbeiten konnten. Nachdem er mit überraschtem Lächeln und nickenden Köpfen belohnt worden war, fuhr er

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