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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Wucht der Formung auswirkte. Hier, zur Linken, sehen Sie eine Hologramm-Übersicht der vulkanischen Aktivitäten und radioaktiven Strahlungsquellen während der folgenden Dekaden …“
    Erneut wandte sich meine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu. Ich war in der Hoffnung zu den Kavernen gereist, für die kleine Tragödie meines eigenen Lebens Trost zu finden angesichts der größeren Tragödie der Vergangenheit, doch es machte die Sache nicht leichter für mich. Meine Mitreisenden fanden die Zerstörungsmaschinerie offenbar interessanter als das damit verbundene menschliche Trauerspiel. Ich stand abseits von ihnen und verbrachte den Rest der Besichtigungstour damit, auf die frostigen Wunder unter mir hinabzustarren.
    Als wir in die Hotelhalle einschwebten, kam mir die vertraute und unwillkommene Gestalt Pauls entgegen. Er würde mich nicht noch einmal entkommen lassen. Wir stritten uns heftig und lange, sotto voce {1} inmitten des überfüllten Restaurants, zischend und flüsternd an der Bar, schreiend und kreischend an der Tür meines Zimmers, in das ich ihn nicht einlassen wollte. Als die besorgten Hoteldiener erschienen, um den Aufruhr zu schlichten, floh ich erneut, aus dem Hotel hinaus, fort in einem hastig gemieteten Hüpfer, möglichst weit weg von ihm und seinem drängenden Bitten, ich möge den Rest meines kurzen Lebens mit ihm verbringen und in seinen ewig jungen Armen dankbar alt und häßlich werden. Aber mir war selbst während dieser Flucht klar, daß ich nicht Paul aus dem Weg ging, sondern dem Wissen, was ich hätte sein können, dem Wissen, was zu sein ich erhofft hatte während unserer gemeinsamen Jahre. Und als ich über die öde Kälte flog, sah ich noch einmal die trübe Verzweiflung in seinen Augen. Und haßte mich dafür, daß ich weinte.
     

7
     
    Ich mochte diese Jenny. Eine unvorhergesehene Entwicklung, über die ich während des Frühstücks nachdachte. Sie bewegte sich voller Anmut, ganz natürlich, und gab während einer Unterhaltung gelegentlich eine spitze Bemerkung von sich, die nicht nur zutreffend, sondern oft auch sehr erheiternd war. Doch meistens war sie immer ganz still und musterte Paul und mich aus ihren ruhigen, grünen Augen. Sie war nicht im eigentlichen Sinne hübsch und hatte sich keiner Schönheitsoperation unterzogen: Ihre Nase war ein wenig zu groß, ein bißchen zu eckig. Ihre hohen, zarten und altmodisch geformten Jochbeine rahmten konkave Wangen ein, und eine dichte Mähne aus schwarzem Haar fiel bis zu ihren Schultern hinab. Ich mochte sie, und die Sympathie, die ich für sie empfand, überraschte mich.
    Doch als ich die beiden mit meinem betagten elektrischen Hoverwagen die abschüssige und schmutzige Straße zum Dock hinunterfuhr, stellt ich fest, daß ich Jenny verunsicherte: mit meinem offensichtlichen Alter, meiner Schroffheit, meinem leisen Sarkasmus. Wußte sie, was einst zwischen mir und Paul gewesen war? Und was das betraf: Wußte es Paul überhaupt noch? Erinnerte er sich noch an Venedig oder war es nur ein nebelhaftes Bild, verborgen und vergessen in irgendeinem entlegenen Winkel seines Bewußtseins? Immerhin: Es konnte für ihn nicht allzu angenehm gewesen sein, mein alterndes Selbst zu betrachten und sich diese kurze Leidenschaft ins Gedächtnis zurückzurufen, die Äonen zurücklag. Aber war das überhaupt wichtig?
    Ja. Für mich.
     

8
     
    Sie waren beide entsetzt über den Hoverwagen und meinen Fahrstil, und das hatte ich nicht anders erwartet. Paul umklammerte die Armlehne auf der Beifahrerseite, und Jenny war zwischen uns eingeklemmt und umklammerte Paul, während ich den kleinen Wagen durch die engen Kurven der Straße schleuderte. Vollkommen sicher, sowohl die Straße als auch mein Fahrstil. Ich kenne jede kleine Biegung und Serpentine, jede Stelle, wo nach einem Regenschauer mit Pfützen zu rechnen ist und im Herbst vergilbte Blätter fallen. Die Straße und die Landschaft, durch die sie führte, waren herrlich, aber meine Passagiere waren so in Anspruch genommen von ihrer Angst, daß sie keine Augen für diese Schönheiten hatten. Erneut verärgerte mich die für die Unsterblichen so charakteristische Angst. Absichtlich erhöhte ich die Geschwindigkeit weiter und nahm die Kurven noch übermütiger. Wenn sie schon erschrocken waren, dann sollte ihre Angst zumindest nicht grundlos sein.
    Der kleine Wagen quietschte und schleuderte. Ich vergaß meinen Sarkasmus und konzentrierte mich auf die Kontrollen. Der Steuerknüppel zitterte in meinen

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