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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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dem Bo­den hin­ter ihr und strei­chel­te die Knö­chel ih­rer zu­rück­ge­leg­ten Hän­de. Ich rühr­te mich nicht, schwieg und war­te­te dar­auf, daß sie zu spre­chen be­gann. Aber auch sie blieb ei­ne gan­ze Wei­le stumm. Ei­ne Seemö­we krächz­te kläg­lich, und die Ge­ne­ra­to­ren brumm­ten, wäh­rend wir den neu­en Kurs ge­nau ein­hiel­ten.
    „Tia?“
    „Hm?“
    „Nun, wie ist es, äh, ich mei­ne …“
    Ich wand­te mich um und sah sie an. „Was ha­ben Sie auf dem Her­zen, Jen­ny?“
    Sie lach­te ner­vös und spiel­te mit ih­rem Haar. „Ich weiß nicht so recht, ob ich es an­spre­chen soll. Ich mei­ne, ich könn­te Sie be­lei­di­gen, und das möch­te ich nicht.“
    „Ach? Warum rücken Sie nicht ein­fach da­mit raus, und wenn ich be­lei­digt bin, dann ant­wor­te ich ein­fach nicht, in Ord­nung?“
    „Nun, wie fühlt man sich? Ich mei­ne, wie ist es, alt zu sein? Se­hen Sie, ich ha­be Ih­nen ja ge­sagt, Sie wä­ren be­lei­digt.“
    „Jen­ny, wie alt sind Sie?“
    Sie mach­te einen ver­wirr­ten Ein­druck, run­zel­te kurz die Stirn und sag­te dann: „Hun­dert­zehn, glau­be ich. Es ist ein biß­chen schwie­rig, den Über­blick zu wah­ren.“
    „Und ich bin sie­ben­und­sech­zig Jah­re alt, acht Mo­na­te, vier­zehn Ta­ge und, äh, et­wa elf Stun­den. Sie sind al­so be­deu­tend äl­ter als ich. Sie selbst kön­nen Ih­re ei­ge­ne Fra­ge we­sent­lich bes­ser be­ant­wor­ten.“
    „So ha­be ich das nicht ge­meint.“
    „Ich weiß, ich weiß.“ Ich leg­te die Ar­me auf das nied­ri­ge Ge­län­der und stütz­te das Kinn auf die Hand­ge­len­ke. „Es ist nicht ge­ra­de ein The­ma, über das ich gern spre­che.“
    Kur­z­es Schwei­gen. „Sind Sie sehr ein­sam?“
    Dar­auf gab ich kei­ne Ant­wort. Nach ei­nem Au­gen­blick füg­te Jen­ny hin­zu:
    „Ich mei­ne, gibt es noch an­de­re wie Sie?“
    „Ich ha­be es lan­ge ge­hofft. Ich ha­be lan­ge nach je­man­dem ge­sucht, der mir ähn­lich ist. Ich hät­te von ei­nem sol­chen Fall er­fah­ren – oder mei­ne Ärz­te. Nein, es gibt kei­nen an­de­ren Sterb­li­chen, Jen­ny. Fin­den Sie das be­ru­hi­gend?“
    Dies­mal ant­wor­te­te sie nicht.
    „Frü­her hät­te ich gern Kin­der ge­habt“, sag­te ich, mehr an die Del­phi­ne ge­rich­tet. „Viel­leicht aus ei­gen­nüt­zi­gen Mo­ti­ven: Dann hät­te es noch an­de­re Men­schen wie mich ge­ben kön­nen. Aber ich ha­be kei­ne in die Welt ge­setzt. Man ge­wöhnt sich dar­an – nach ei­ner Wei­le.“
    „Wirk­lich?“
    „Nein.“
    Ich hör­te, wie sie ih­re Sitz­po­si­ti­on ein we­nig ver­än­der­te.
    „Schmerzt es?“ frag­te sie.
    „Manch­mal. Ge­wis­se Din­ge.“
    „Zum Bei­spiel?“
    Ich wand­te mich ihr zu, die Wan­ge auf dem Arm. „Wir sind ein biß­chen mor­bid, was?“
    Sie er­rö­te­te und hob ab­weh­rend die Hand. „Ich will Sie nicht aus­hor­chen. Es ist … es ist nicht für mich.“
    „Dann soll­ten die an­de­ren doch wohl selbst ih­re Fra­gen stel­len kön­nen, oder mei­nen Sie nicht?“ gab ich schroff zu­rück, wand­te mich wie­der ab und be­ob­ach­te­te die Del­phi­ne. Aber Jen­ny ging nicht fort, und als ich ihr aus den Au­gen­win­keln einen Blick zu­warf, ruh­te ihr Kopf eben­falls auf ver­schränk­ten Ar­men, und sie sah wie ich den her­um­tol­len­den Lei­bern vor uns zu.
    „To­bi­as ist ziem­lich lau­nisch, nicht wahr?“ frag­te sie plötz­lich.
    „Mag sein.“
    „Wis­sen Sie, warum?“
    „Wo­her soll­te ich? Er macht sei­ne Ar­beit, ich ma­che mei­ne.“
    „Aber Sie ha­ben viel Zeit zu­sam­men ver­bracht, wäh­rend der Tauch­gän­ge und so.“
    „Er macht sei­ne Ar­beit, ich ma­che mei­ne. Er ist mir nicht be­son­ders zu­ge­tan.“
    „Nun, Sie sprü­hen auch nicht ge­ra­de vor Freund­lich­keit“, gab sie leicht er­regt zu­rück.
    „Soll­te ich das? Er gibt sich die aller­größ­te Mü­he, mir deut­lich zu ma­chen, was er von mir hält. Kein Ge­setz schreibt mir vor, Leu­te zu lie­ben, die mich has­sen.“
    „Es ist kein Haß“, setz­te sie an.
    „Nein? Dann ist es ir­gend et­was, das dem ver­dammt na­he­kommt. Ich ha­be ge­nü­gend Pro­ble­me, auch oh­ne To­bi­as und sein Ge­fühls­le­ben.“
    „Es ist kein Haß“, wie­der­hol­te sie. „Es ist …“ Und sie biß

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