Versunkene Inseln
kletterten schweigend aus dem Wagen, schlangen die Arme umeinander und starrten auf das Schiff. Tobias saß mit dem Rücken gegen den Metallbogen des Dockzugangs gelehnt, richtete sich nun auf und kam uns entgegen. Einen Meter vor uns blieb er stehen, überließ Paul und Jenny ihrem Staunen und sah mich finster an. Ich erwiderte diese freundliche Geste.
Hübscher Tobias. Dichte Locken aus goldenem Haar, ein Gesicht ganz in griechischem Profil, die Augen tiefblau. Sonnengebräunt, reizvoll, sinnlich. Wenn er angezogen war – und für einen Unsterblichen war er erstaunlich oft angezogen –, trug er ausgewaschene, verfranste Hosen und schmierige, fleckige Hemden. Und er glaubte, dieser Kontrast unterstreiche seine Attraktivität. Was auch tatsächlich der Fall war. Tobias haßte mich. Vielleicht war ich ein zu krasser Kontrast. Vielleicht erinnerte ich ihn an die Unbeständigkeit, die ihm abhanden gekommen war. Aus welchem Grund auch immer: Tobias haßte mich, und ich empfand diesen Haß als erfreuliche Abwechselung angesichts der höflichen und unbehaglichen Masken der anderen Unsterblichen. Wäre Tobias klar gewesen, wie sehr ich seine Abneigung genoß, so hätte er sie wahrscheinlich ab sofort nicht mehr gezeigt. Doch ich hatte nicht die Absicht, mir dieses kleine Vergnügen nehmen zu lassen. So bestätigten wir schweigend unsere gegenseitige Antipathie und standen wortlos neben den beiden hingerissenen Novizen in der heißen Julisonne. Er senkte als erster den Blick.
„Kommst du heute aufs Schiff?“ frage er barsch und starrte auf etwas, das jenseits meiner linken Schulter lag.
„Nein, ich habe heute noch zu tun. Morgen früh bin ich pünktlich da. Werde ich gebraucht?“
„Ganz und gar nicht“, erwiderte er und lächelte wie ein verdrießliches Kind, das in irgendein Geheimnis eingeweiht ist. Er wußte verdammt gut, daß heute mein regulärer Ausbesserungstag war. Ich wandte mich angewidert von ihm ab und sprach Paul und Jenny an.
„Das ist Tobias Gamin. Er wird euch zur Ilium bringen, euch ein bißchen herumführen und den Leuten vorstellen. Tobias, sorgst du bitte dafür, daß sie zum Abend wieder hierher zurückgebracht werden?“
„Klar“, antwortet er. Die drei wechselten einen beiläufigen Blick – eine rasche, sexuelle Musterung, prüfend, taxierend, abschätzend. Was für eine einfache und unbeschränkte Sexualität diese Leute haben: Alles, was sich bewegt, wird gebumst. Und wenn das vielleicht auch nicht ganz zutraf, es war mir egal. Nun, ich bewegte mich ebenfalls, aber mich bumste niemand.
„Raul Ambuhl, Jenny Crane“, sagte ich, vollendete damit die Vorstellung und ging zu meinem Wagen zurück. Paul folgte mir und legte mir die Hand auf den Arm. Ich starrte die Hand an, verblüfft von dieser Berührung, und ich wartete darauf, daß er sie hastig zurückzog und an seinem Umhang sauberwischte. Doch seine Hand blieb, wo sie war, und ich drehte mich zu ihm um.
„Vielen Dank, Tia, daß du uns bei dir untergebracht hat.“
„Keine Ursache.“ Ich versuchte, den Arm fortzurücken, doch er hielt ihn noch immer sanft umfaßt, befeuchtete die Lippen und fügte hinzu:
„Sieh mal, haben wir irgend etwas falsch gemacht?“
„Falsch?“
„Weißt du, du bist nur so … nun … so schroff. Ich habe mich gefragt, ob wir vielleicht irgend etwas, nun, du weißt schon …“
„Nein, ihr habt nichts verkehrt gemacht. Und jetzt gehst du am besten zu Tobias zurück, okay? Ich habe in einer Stunde eine Verabredung.“
Ich glitt von ihm fort, kletterte in den Fahrersitz und startete den Rotor, bevor er eine Möglichkeit hatte, mir zu antworten. Ich ließ ihn auf dem Dock hinter mir zurück, und er starrte auf den von den Luftkissen
Weitere Kostenlose Bücher