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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und hinter ihm waren Dutzende einsamer Gestalten in dunklen Mänteln, andere junge Anwälte, die nach oben fuhren, stumm und düster, fast wie Sargträger auf einer Beerdigung im Winter. David und Al gesellten sich zu einer Gruppe, die vor den Fahrstühlen auf der ersten Ebene stand. Während sie warteten, hörte David dem Gerede über Eishockey zu, doch ihm drehte sich der Kopf, und schlecht war ihm auch schon wieder. Sie zwängten sich in den Fahrstuhl und standen Schulter an Schulter mit zu vielen anderen da. Stille. Al schwieg. Niemand sagte etwas; niemand stellte Blickkontakt her.
    David sagte zu sich: »Das war’s. Ich war zum letzten Mal in diesem Fahrstuhl. Das schwöre ich.«
    Der Fahrstuhl ruckelte und summte. Dann blieb er im neunundsiebzigsten Stock stehen, dem Territorium von Rogan Rothberg. Drei Anwälte stiegen aus, drei Gesichter, die David schon einmal gesehen hatte, aber nicht mit Namen kannte, was nichts Ungewöhnliches war, da die Kanzlei auf den Stockwerken neunundsechzig bis neunundneunzig sechshundert Anwälte hatte. Im dreiundachtzigsten Stock stiegen zwei weitere Anzugträger aus. Als der Fahrstuhl weiterfuhr, begann David erst zu schwitzen und dann zu hyperventilieren. Sein winziges Büro war im zweiundneunzigsten Stock, und je näher er kam, desto angestrengter pumpte sein Herz. Im neunundachtzigsten und im neunzigsten Stock verließen noch mehr düstere Gestalten den Fahrstuhl, und mit jedem Halt fühlte sich David schwächer und schwächer.
    Im zweiundneunzigsten Stock waren sie nur noch zu dritt – David, Al und eine hochgewachsene Frau, die hinter ihrem Rücken »Lurch« genannt wurde, wie der Butler aus Die Addams Family. Der Fahrstuhl blieb stehen, ein dezenter Glockenton war zu hören, die Tür glitt auf, und Lurch stieg aus, gefolgt von AI. David wollte sich nicht bewegen; genau genommen konnte er sich nicht bewegen. Sekunden verstrichen. Al warf einen Blick über die Schulter und sagte: »He, Dave, das ist unser Stockwerk. Komm schon.«
    Keine Antwort von David, nur der starre, leere Blick von jemandem, der gerade ganz woanders war. Die Tür begann sich zu schließen, und Al schob den Aktenkoffer dazwischen. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
    »Ja, klar«, murmelte David und schaffte es endlich, einen Schritt nach vorn zu machen. Die Tür ging wieder auf, die Glocke ertönte erneut. Er stieg aus und sah sich nervös um, als wäre er noch nie hier gewesen. Dabei war er erst vor zehn Stunden zum letzten Mal hier gewesen.
    »Du siehst blass aus«, sagte AI.
    Um David drehte sich alles. Er hörte die Stimme seines Kollegen, verstand aber nicht, was er sagte. Lurch war einige Meter von ihnen entfernt stehen geblieben und starrte sie verwirrt an, als würde sie gerade Zeugin eines Verkehrsunfalls werden. Der Fahrstuhl bimmelte wieder, dieses Mal mit einem anderen Ton, und die Tür begann sich zu schließen. Al sagte noch etwas, streckte sogar die Hand aus, als wollte er helfen. Plötzlich warf sich David herum, und seine bleiernen Füße erwachten zum Leben. In dem Moment, in dem sich die Fahrstuhltüren schlossen, hechtete er zurück in die Kabine. Die hysterische Stimme von Al war das Letzte, was er von draußen hörte.
    Als der Fahrstuhl sich nach unten bewegte, fing David Zinc zu lachen an. Der Schwindel und die Übelkeit waren verschwunden. Der Druck auf seiner Brust ließ nach. Er hatte es getan! Er flüchtete aus dem Hamsterrad von Rogan Rothberg und beendete den Albtraum. Von all den unglücklichen Anwälten und Juniorpartnern, die in den Wolkenkratzern der Kanzlein im Stadtzentrum von Chicago arbeiteten, hatte ausgerechnet er, David Zinc, den Mut gefunden, an diesem düsteren Morgen einfach zu gehen. Er setzte sich auf den Boden des leeren Fahrstuhls, sah mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu, wie die leuchtend roten Digitalziffern der Stockwerke rasend schnell nach unten zählten, und versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Die Menschen: erstens seine von ihm sträflich vernachlässigte Frau, die unbedingt schwanger werden wollte, was aber nicht klappte, weil ihr Mann zum Sex zu müde war, zweitens sein Vater, ein bekannter Richter, der ihn quasi gezwungen hatte, Jura zu studieren, natürlich in Harvard, weil das die Universität war, die auch der Richter besucht hatte, drittens sein Großvater, der Tyrann der Familie, der in Kansas City eine Megakanzlei aus dem Nichts aufgebaut hatte und selbst mit zweiundachtzig noch jeden Tag zehn Stunden arbeitete, und

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