Verteufelte Lust - Kinky Munich 1 (German Edition)
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Ariella breitete ihre Schwingen aus und genoss das kribbelnde Gefühl, das die Luft verursachte, die durch ihre Federn strich. Sie flog – für Menschen unsichtbar – über den Englischen Garten und hielt nach Unruhestiftern Ausschau. Da es leicht regnete und ein kühler Herbstwind weht e, befanden sic h nicht viele Leute in der Parkanlage.
Eine alte Frau ging mit ihrem Pudel spazieren, der ein Blatt anbellte, das von einem Baum fiel, und ein Jogger drehte seine vormittäglichen Runden. Jugendliche lungerten am Chinesischen Turm herum, verhielten sich aber friedlich, daher flog Ariella weiter über die große Anlage, in Richtung Innenstadt.
Dank einer unsichtbaren Aura, die sie wie ein Schutzschild umgab – wenn sie es so wollte –, wurde sie nicht nass, und obwohl sie nur ein e legere Stoffhose und ein Bustier trug, fror sie nicht. Engel froren niemals – egal, ob sie in einer menschlichen Hülle steckten, wie sie, oder feinstoffliche Erscheinungen waren.
Ariella war eine Wächterin, eine Engelspolizistin, und kam gerade von der allmorgendlichen Einsatzbesprechung im Hauptquartier. Ihr war ein bestimmtes irdisches Gebiet zugeteilt, in dem sie für Ordnung sorgen musste. Ihr Areal lag in München, zwischen Isartor und Stachus sowie Viktualienmarkt und Nationaltheater. Dämonen und anderes Gesindel versuchten stets, das Gleichgewicht der Mächte aus dem Lot zu bringen. Das galt es zu verhindern.
Ariella wollte den Englischen Garten an der Reitanlage verlassen, bei der sich im Sommer die Nackten tummelten. Wie jeden Tag segelte sie hinab zum Eisbach, um ihr Spiegelbild auf der glatten Oberfläche zu betrachten. Sie fand Gefallen an den sündhaften Kurven und ihrem rotblonden Haar, das um ihr Gesicht wehte.
Tief inhalierte sie den Duft von Herbstlaub und nassem Gras, bevor sie lachend in den grauen Himmel emporschoss und eine Runde über dem Hofgarten drehte. Auch hier war alles friedlich. Zu friedlich. Ariella traute der Ruhe nicht. Sie spürte es in ihren Federspitzen, dass Unheil bevorstand.
Schließlich landete sie auf dem alten Rathaus, von dem sie einen wunderbaren Blick auf die Frauenkirche mit ihren charakterlichen Zwiebeltürmen hatte. Unter ihr lag der Marienplatz, der den Mittelpunkt der Fußgängerzone bildete. Hier war immer etwas los, egal wie schlecht das Wetter sein mochte, denn ein Geschäft reihte sich an das andere. Dieses Fleckchen war schon im Jahre 1158 die urbane Mitte Münchens gewesen, nachdem der W elfe »Heinrich der Löwe« die Stadt gegründet hatte. Damals war Ariella noch kein Engel gewesen, das war sie erst seit fünfzig Jahren. Somit zählte sie zu den Frischlingen. Den Wächterposten hatte sie erst seit drei Jahren inne, nachdem sie vor dem Hohen Rat zahlreiche Prüfungen absolviert hatte. Leider hatte sie nicht mit Bravour bestanden, sondern es mit Ach und Krach geschafft. Als Jungengel erinnerte sie sich noch zu sehr an das Leben als Mensch und an die Schwächen, die dieses Dasein mit sich brachte. Das hatte die Prüfungen erschwert. Aber nun war sie hier und würde dem Hohen Rat beweisen, dass sie ihren Job ordentlich machte.
»Wo seid ihr, elende Bagage?«, murmelte Ariella.
Lautes Glockenschlagen ließ sie nach rechts sehen. Dort stand das Neue Rathaus, ein riesiger Komplex aus Back- und Muschelkalkhaustein, in dem der Oberbürgermeister seinen Sitz hatte. Das graue Gebäude im neogotischen Stil war ein prächtiges Bauwerk. Hundert Meter maß die reich geschmückte Hauptfassade, die zum Marienplatz zeigte. Sie stellte den Welfenherzog und fast die gesamte Linie des Wittelsbacher Herrscherhauses dar. Außerdem gab es Wasserspeier in Form von Fratzen und Themen aus dem Leben von Heiligen sowie volkstümliche Sagengestalten zu entdecken, die alle als Steinfiguren das Bauwerk schmückten.
Die Spitze des 85 Meter hohen Rathausturms krönte das Münchner Kindl. Etwas tiefer befand sich das fünftgrößte Glockenspiel Europas. Es ertönte täglich um 11 Uhr und zu anderen festen Zeiten, und das seit über hundert Jahren. Die 43 Glocken der mechanischen Uhr spielten nacheinander vier verschiedene Melodien ab. Dazu tanzten 32 Figuren den Schäfflertanz. Es wurde sogar ein Ritterturnier gezeigt. In den Erkern des siebten Turmgeschosses tauchte ein Nachtwächter auf, der auf seinem Horn blies, sowie ein Engel, der das Münchner Kindl segnete.
Ariella liebte das Glockenspiel und versuchte, keine Vorführung zu verpassen. Aber nicht, um den Figuren zuzusehen, sondern weil
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