Vertrau der Stimme deines Herzens!
war es das sicherlich auch gewesen. Aber das hier war noch einmal eine ganz andere Dimension. Selbst die zahlreichen Fünf-Sterne-Hotels, in denen sie über lange Jahre während ihrer Reisen wie selbstverständlich übernachtet hatte, konnten mit diesem Luxus nicht mithalten. Behutsam strich sie mit ihrem Finger über einen antiken französischen Holztisch mit goldfarbenen Intarsien.
„Er ist gewillt, Ihnen fünf Minuten zuzugestehen“, riss die Stimme der Haushälterin sie aus ihren Gedanken.
Rachel atmete tief durch und folgte der Frau die Treppe hinauf. Als sie im zweiten Stock an einem Spiegel vorbeiging, wünschte sie sich, die Haushälterin darum gebeten zu haben, sich etwas frisch machen zu können.
Die Haare hingen verschwitzt und strähnig in ihr gerötetes Gesicht, und auf der Nase hatte sie einen Sonnenbrand. Das elegante ärmellose Top sah aus wie ein formloses Stück Stoff, und die eigentlich neue weiße Leinenhose wirkte, als wäre sie eine Woche bei staubigen archäologischen Ausgrabungen getragen worden. Sie sah aus wie eine Landstreicherin und nicht wie eine junge, vielversprechende Modeschöpferin. Aber das war jetzt auch egal.
Die Haushälterin klopfte bereits gegen eine Tür, öffnete sie und trat diskret zur Seite, sodass Rachel nichts anderes übrig blieb, als einzutreten.
Es handelte sich offensichtlich um Alessandros Bibliothek und Arbeitszimmer. Die Wände waren fast komplett mit Büchern und Aktenordnern bedeckt. Vor dem mit schweren Gardinen verhangenen Fenster stand ein großer Eichenschreibtisch. Im Vergleich zu den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten der Villa, die sie bisher durchschritten hatte, wirkte dieses Zimmer eher düster und beunruhigend. Genau wie der Mann, der hinter dem Schreibtisch saß.
Doch auch das Halbdunkel konnte nicht verhindern, dass sich ihre Blicke sofort trafen – und ihr Herz unwillkürlich einen kleinen Sprung machte. Seine Augen waren so tiefblau und unergründlich wie das Meer, das sie heute während der Busfahrt aus dem Fenster beobachtet hatte, und bildeten einen eigentümlichen Kontrast zu dem dunklen südländischen Teint und dem pechschwarzen Haar.
Das abwartende Schweigen stand wie eine dicke gläserne Wand zwischen ihnen. Rachels Herz hämmerte so heftig gegen ihre Brust, dass ihr das Atmen schwerfiel.
Wie viel Zeit war vergangen, seit sie in dieses ausdrucksstarke Gesicht geblickt hatte? Alessandro war nicht der klassische Schönling, aber er hatte eine unglaublich charismatische Ausstrahlung. Die stolze Nase und die markanten Gesichtszüge verliehen ihm ein aristokratisches Aussehen.
Auf seinem sinnlichen Mund lag nicht der Hauch von einem Lächeln.
Ihr kam die seltsame Frage in den Sinn, wann Alessandro wohl das letzte Mal gelächelt hatte. Und wem dieses Lächeln gegolten haben mochte. Aus der Boulevardpresse wusste sie, dass er gerade seine Beziehung mit einem Kosmetikmodel beendet hatte. Doch das war nicht weiter verwunderlich, denn keine seiner Beziehungen in den letzten Jahren hatte länger als ein paar Monate gedauert. Natürlich war bekannt, dass er einer der reichsten Männer Italiens und einer der begehrtesten Junggesellen war. Doch abgesehen von den üblichen oberflächlichen Klatschnachrichten drang fast nichts über sein Privatleben an die Öffentlichkeit.
„Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu sehen“, unterbrach Rachel schließlich mit gezwungener Freundlichkeit das Schweigen.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sie unverhohlen von Kopf bis Fuß. Es ärgerte sie, dass er nicht einmal den Anstand besessen hatte aufzustehen, als sie hereingekommen war. Benahm er sich mit Absicht so ungehobelt? Natürlich tat er das. Er wollte ihr seine Geringschätzung demonstrieren. Doch sie würde sich von ihm nicht wie Dreck behandeln lassen. Sie mochte vielleicht alles verloren haben – aber nicht ihren Stolz.
„Setz dich.“
Zwei Worte.
Ein Befehl.
Eine Beleidigung.
Rachel rührte sich nicht vom Fleck. „Ich werde dir nicht viel von deiner kostbaren Zeit stehlen“, entgegnete sie trocken und musste sich beherrschen, um die Verärgerung in ihrer Stimme zu verbergen.
Seine Mundwinkel verzogen sich spöttisch. „Nein, das wirst du mit Sicherheit nicht“, sagte er und warf demonstrativ einen Blick auf seine teure Armbanduhr. „Du solltest lieber sagen, was du zu sagen hast – und zwar schnell –, denn dir bleiben noch genau vier Minuten. Ich habe nämlich gleich einen Termin, der wirklich
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