Vertrau mir, Tara
Kleidung.
Becky würde mich umbringen, wenn sie wüsste, was ich machen will, dachte sie, während sie das Putzzeug ins Auto brachte. Ihre Eltern würden nächsten Monat von der Südafrikareise zurückkommen, und bis dahin sollte das Haus in vollem Glanz erstrahlen.
Es war ziemlich einfach und bescheiden, hatte weder Telefon noch Fernsehen noch Zentralheizung. Der große Gastank für den Betrieb des Küchenherds und der Warmwasserversorgung lag hinter dem Haus. Es hatte Tara nie etwas ausgemacht, die Kamine im Wohnzimmer und Esszimmer auszuräumen und zu säubern oder die Holzscheite in Körben hereinzuholen. Sie liebte das Haus, mit dem viele Erinnerungen an glückliche Stunden im Kreis der Familie verbunden waren.
Im Winter kümmerten sich die Pritchards um das Haus. Mrs. Pritchard arbeitete halbtags im Supermarkt im Dorf, und Mr. Pritchard im kleinen Jachthafen flussaufwärts, wo auch die
Naiad,
die Jacht von Taras Eltern, überwinterte.
Natürlich hätte auch Mrs. Pritchard gern ausgeholfen, aber Tara wollte alles selbst erledigen. Sie liebte es geradezu, sich körperlich zu betätigen, auch wenn andere es nicht nachvollziehen konnten.
Vor Jahren hatte es so ausgesehen, als wäre Becky diejenige, die Karriere machen würde. Sie hatte einen gut bezahlten Job und führte ein abwechslungsreiches Leben, während Tara viel ruhiger und eher häuslich war.
Deshalb waren alle überrascht gewesen, als sich Becky plötzlich entschied, Harry zu heiraten, den Beruf aufzugeben und stattdessen Hausfrau und Mutter zu sein. Sie hatte es nie bereut.
Aber die Hausarbeit ist bestimmt nicht Beckys Stärke, dachte Tara liebevoll. Mit ihrem organisatorischen Geschick hatte Becky gleich nach der Hochzeit dafür gesorgt, dass sie selbst nie irgendwelche Arbeiten im Haushalt erledigen musste.
Für Becky war es schlichtweg unvorstellbar, dass jemand im Urlaub putzen, polieren und ein altes, schäbiges Haus auf Hochglanz bringen wollte. Und noch viel weniger würde sie verstehen, dass es für ihre Schwester eine Art Therapie war und dass sie sich darauf freute.
Als Tara schließlich fertig war und mit der Katzenbox in der Hand zur Tür ging, warf sie noch einen Blick in den Spiegel. Melusine war höchst unzufrieden in ihrem Käfig und protestierte lautstark. Wenn mich die Leute von
Marchant Southern
in dem Jeansrock und dem uralten Sweatshirt sehen würden, wären sie schockiert, schoss es Tara durch den Kopf. Das Haar hatte sie unter einer Baseballmütze versteckt, und die bloßen Füße steckten in Leinenschuhen, deren beste Zeit vorbei war.
Was soll’s, sagte sie sich, während sie die Tür hinter sich abschloss und zum Auto eilte. Sie würde sowieso kaum jemandem begegnen, denn weit und breit wohnte sonst niemand.
Bis vor drei Jahren hatte noch der alte Ambrose Dean in
Dean’s Mooring,
dem ungefähr hundert Yards entfernten Nachbarcottage, gelebt. Er hatte keinen Menschen an sich herangelassen und seine Einsamkeit wie einen Schatz verteidigt. Aber seit seinem Tod stand das Haus leer und verfiel immer mehr.
Ambrose war Junggeselle gewesen und hatte offenbar keine Verwandten. Jedenfalls hatte ihn nie jemand besucht. Jim Lyndon, Taras Vater, hatte einmal angedeutet, er wolle mit dem Rechtsanwalt, der das Erbe des alten Mannes verwaltete, über den Kauf des Cottage verhandeln. Doch bis jetzt hatte er noch nichts unternommen.
Vielleicht kaufe ich das Cottage selbst, überlegte Tara, als sie losfuhr. Sie hatte Zeit und konnte sich zumindest erkundigen.
Der Weg ins Paradies war mit Steinen gepflastert, wie sie rasch merkte. Außer ihr hatten sich offenbar noch viele andere Leute entschlossen, übers Wochenende wegzufahren, denn die Ausfallstraßen waren verstopft.
Als Tara schließlich auf den ausgefahrenen Weg einbog, der zum Haus führte, hatte sie heftige Kopfschmerzen, und Melusine miaute laut und ungeduldig in ihrer Box auf dem Rücksitz.
Sie stellte den Wagen auf dem Parkplatz neben dem Haus ab. Dann stieg sie aus, reckte und streckte sich und atmete die kühle Abendluft tief ein, ehe sie aufschloss und hineinging.
In der Küche war es ungemütlich feucht, und es roch irgendwie muffig. Ja, der Geruch ist typisch für ein unbewohntes Haus, aber das wird sich rasch ändern, dachte Tara und sah sich um.
Auf dem gescheuerten Holztisch stand ein Karton mit Lebensmitteln, die Mrs. Pritchard freundlicherweise besorgt hatte, und daneben in einem großen Topf einer ihrer berühmten Eintöpfe. Darunter lag ein Zettel mit der
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