Vertraue mir (German Edition)
Füße nackt.
Sie wirkte so zerbrechlich, sie war sicher nicht größer als einsfünfundsechzig und sehr schlank. Gabe, mit einem Meter und achtzig und doch eher breit gebaut, kam sich vor wie ein Riese.
Der blonde Pagenkopf leuchtete in der Sonne und das sanfte Lächeln, mit dem sie ihn begrüßt hatte, ließ ihn den Atem stocken. Dann gab er sich einen Ruck und räusperte sich erst einmal, denn er war seiner Stimme nicht ganz mächtig. Warum reagierte er so stark auf sie? Er kannte viele schöne Frauen, aber seit Susans Tod waren sie immer nur Gesellschaft und Zeitvertreib gewesen. Nie waren Faszination und eine so starke sexuelle Anziehungskraft mit im Spiel gewesen. Daher hatte er alle Beziehungen immer schon nach relativ kurzer Zeit wieder beendet.
Aber dieses Mädchen zog ihn in seinen Bann. War es diese seltsame und unwirkliche Situation? Nicht mehr? Er bezweifelte es. Nichtsdestotrotz musste er mit kühlem Kopf überlegen, was nun zu tun war. Der Sturm war vorüber, sie konnten abgeholt werden. Allerdings war der nächste baumfreie Platz, an dem ein Hubschrauber landen konnte, ungefähr 1 Meile entfernt. Das war durch diesen Tiefschnee für zwei Verletzte eine Tortur. Ski besaß er nur ein Paar. Sie mussten sich etwas einfallen lassen.
Plötzlich bemerkte er ihren fragenden Blick und erinnerte sich, dass er etwas gefragt worden war. Er antwortete schnell: „Guten Morgen, Fiona. Mir geht es ganz gut. Solange ich den Arm stillhalte, spüre ich fast keine Schmerzen. Wie sieht es bei Ihnen aus?“
„Ähnlich. Wenn ich meinen Arm allerdings bewege, spüre ich immer noch einen Stich durch den ganzen Körper.“
Er sah sie offen an und meinte: „Also sind wir beide noch nicht skifahrtüchtig. Die Ski sind allerdings die einzige Möglichkeit durch den Tiefschnee zum Hubschrauberlandeplatz zu kommen. Wir können also noch eine Woche hier ausruhen oder wir lassen uns mit Schlitten holen. Die wären vermutlich morgen hier. Was denken Sie?“
Fiona schluckte schwer. Aber was half es? Tapfer sagte sie: „Ich denke, wir sollten uns abholen lassen! Einmal schon aus dem Grund einer Infektionsgefahr, die bei Ihrer Wunde ja durchaus noch möglich ist. Und zweitens...ich muss einfach wissen, was hinter dem Ganzen steckt. Ich will wissen, wer ich bin, auch wenn die Wahrheit nicht angenehm sein sollte!“
Er nickte anerkennend. Er war absolut der gleichen Meinung. Obwohl der Gedanke, mit ihr noch eine Woche hier oben zu verbringen, etwas Verlockendes hatte. Gabe ging zum Funkgerät hinüber und organisierte die Heimfahrt. Wie er es sich gedacht hatte, würden die Rangers morgen mit zwei Motorschlitten mit Beiwagen auftauchen.
Fiona hatte schweigend zugehört, aber dabei unablässig aus dem Fenster gesehen.
Als Gabe fertig war, drehte sie sich langsam um und sah ihn an. Nun stand wieder Furcht in den grünen Augen. Sie fragte leidenschaftslos, ohne jede Bitterkeit in der Stimme:
„Wie geht es in San Francisco weiter, Gabe? Werden Sie mich gleich an die Polizei ausliefern oder fahren wir erst zu einem Arzt?“
Gabe fühlte, wie sein Beschützerinstinkt erwachte. Er ging auf sie zu und nahm ihre Hände. Sie sah ihn nicht an, sondern blickte zu Boden.
Er sprach leise, mit etwas heiserer Stimme. „Sagen Sie es mir, Fiona, was soll ich tun? Was ist das Beste?“
„Für Sie: Wenn Sie mich direkt bei der Polizei abgeben! Die kann herausfinden, wer ich bin und Sie sind außer Gefahr.“
„Aber nur, wenn Sie kein Profi sind, sondern aus eigenem Antrieb gehandelt haben.“
„Auch im anderen Fall, Gabe, denn so schnell kriegt es der Auftraggeber doch nicht mit, dass ich ...versagt habe. Und bis dahin können Sie Sicherheitsvorkehrungen treffen.“
„Ich will Sie nicht im Gefängnis sehen, Fiona“, sagte er leise, aber mit fester Stimme.
Fiona blickte ihn an. Sie wollte nicht weinen, aber sie spürte, wie die Tränen hochstiegen.
„Was dann, Gabe? Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen in Gefahr sind! Was ist, wenn mein Gedächtnis wiederkommt und ich mache da weiter, wo ich aufgehört habe?“
„Das glaube ich nicht, Fiona. Ich bin kein Fachmann, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Erinnerung an die letzten Tage dann wieder verschwindet. Sie kennen mich jetzt. Bin ich so unsympathisch für Sie, dass dies nicht Einfluss auf Ihr Handeln haben könnte?“
Sie schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, nicht unsympathisch, Gabe. Aber ich muss doch einen enormen Hass gehabt haben, um so weit zu gehen,
Weitere Kostenlose Bücher