Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Titel: Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlitt Wendt
Vom Netzwerk:
fälschlicherweise der Eindruck, es würde sich bei der Beziehung zweier Pferde in erster Linie um ein Dominanzprinzip handeln, bei dem das Recht des Stärkeren die Rangposition bedingt.
    Aber die weitaus wichtigere Komponente zur Bestimmung einer Rangordnung ist die Betrachtung der subdominanten, also ranggebenden Verhaltensweisen, wie etwa das Ausweichen, das Abwenden des Blickes oder das Leerkauen. Diese zum Teil sehr subtilen Signale sind für den Menschen weitaus schwieriger wahrzunehmen, denn die Pferde besitzen die erstaunliche Fähigkeit, mimische Veränderungen im Millimeterbereich zu erkennen. Daran können wir erahnen, wie fein die Kommunikation unserer Pferde strukturiert sein muss. Es handelt sich hier buchstäblich nur um ein angedeutetes Augenzwinkern, das leichte Hochziehen der Augenbraue oder auch das sanfte Kräuseln der Lippen.
    Wir sollten uns also immer bewusst sein, dass nur die Gesamtheit der ranganmaßenden und ranggebenden Verhaltensweisen ein aussagekräftiges Bild der Rangverhältnisse aufzeigen kann. Jedes Pferd vereint Anteile beider Verhaltenselemente in sich. Daher ist es biologisch gesehen ein Mythos, prinzipiell von einem dominanten oder klar subdominanten Pferd zu sprechen.
    Das Freundschaftskonzept
    Freundschaftliche Beziehungen zwischen einzelnen Pferden entwickeln sich unabhängig von ihren Rangpositionen. Pferde bilden sehr enge Freundschaften, die weder mit dem Alter noch mit dem Geschlecht der Tiere zu tun haben. Wir erkennen eng befreundete Pferde daran, dass sie nah beieinander grasen und die meiste Zeit des Tages paarweise umherstreifen. Neben dem gegenseitigen Kraulen des Fells, dem Allogrooming, sieht man sie auch häufig entspannt Schweif an Kopf nebeneinander dösen, wobei der eine dem anderen die lästigen Insekten aus dem Gesicht wedelt. Diese Freundschaften entwickeln sich zum Teil schon früh im Fohlenalter und können ein Leben lang bestehen bleiben, wobei auch der Rang der Elterntiere keinerlei Einfluss auf das Eingehen von Freundschaften hat. Hier zählt allein die individuelle, wechselseitige Sympathie zwischen den Tieren.
    Freundschaften sind der soziale Kitt der Pferdeherde. Die gesamte Bindungsstruktur innerhalb einer Herde wird vornehmlich von diesem freundschaftlichen Beziehungsgeflecht dominiert, in dem die Individuen auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren und aufgrund ihrer individuellen Sympathien zueinander interagieren.
    Unterschiedliche Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass die freundschaftlichen Verhaltensweisen in einer gewachsenen Herde weitaus am häufigsten zu beobachten sind. Aggressive Verhaltensweisen sind unter Pferden, die zumindest eine Beziehung, wenn nicht sogar eine feste Freundschaft zueinander pflegen, deutlich reduziert. Die Pferde gestehen sich durch die Ausbildung der Freundschaften gegenseitig den größtmöglichen Freiraum zu. Natürlich gewachsene oder geschickt vom Menschen zusammengestellte Gruppen zeichnen sich durch eine sehr große Harmonie aus.
     

    Freundschaften sind der soziale Kitt der Pferdeherde.
     
    Gerade in der heutigen Zeit werden Pferdefreundschaften leider viel häufiger auseinandergerissen, als es die Natur vorgesehen hat. Entweder zieht der Besitzer um und nimmt sein Pferd mit in eine neue Umgebung oder aber das befreundete Pferd wechselt mit seinem Besitzer den Stall, um vielleicht bessere Ausreitmöglichkeiten genießen zu können. Für die Pferde ist der häufige Wechsel meist eine Katastrophe. Sowohl die wechselnden Tiere als auch die zurückgebliebenen Pferde leiden unter dem Stress, den der Verlust nach sich zieht. Manche Pferde tun sich relativ leicht damit, neue Kontakte zu knüpfen und sich umzuorientieren, andere brauchen Monate, um sich in einer neuen Herde wirklich zu integrieren und Freundschaften zu schließen. Einige Pferde sind auch sehr wählerisch, was die Auswahl ihrer Freundschaften angeht. Wenn aus ihrer Sicht kein passender Partner in der neuen Gruppe dabei ist, halten sie sich häufig ohne neue Paarbeziehung am Rande der Gruppe auf.
    Da Freundschaften von entscheidender Bedeutung für das Wohlbefinden eines jeden Pferdes sind, sollte jeder Stallbetreiber größte Aufmerksamkeit auf die „Vermittlung“ von Kontakten zwischen den Pferden legen. Ein neues Pferd sollte sich erst mit der Umgebung vertraut machen können, bevor es über mehrere Wochen hinweg mit immer mehr Gruppenmitgliedern bekannt gemacht wird und so nach und nach in die Gruppe integriert wird. Besonders

Weitere Kostenlose Bücher