Verwandte Seelen
Vernichtung der eigenen Rasse verbietet, doch daran halten sich nicht alle. Dougal verurteilt jeden zum Tod, der dieses Verbrechen begeht.“
Während Grimmt erzählte, beobachtete er Dexter bei der Arbeit. Dieser hatte begonnen meine Wunde zu vernähen. Dabei legte er die Hautränder aneinander und zog mit einer gebogenen Nadel einen Seidenfaden hindurch, den er an den Enden miteinander verknotete.
Ich hatte keinerlei Schmerzen . . .
„Zweitens . . .“, fuhr Grimmt fort, „können sie für sich selbst die Entscheidung treffen zu sterben. Sie legen sich zum Schlafen, wachen nicht mehr auf, hören einfach auf zu atmen. Vorraussetzung dafür ist der bedingungslose Wunsch nach dem Tod. Den Überlieferungen nach, haben dies nur drei von ihnen in der gesamten Geschichte der Unsterblichen geschafft . . . und ich glaube, einer von ihnen war . . . DEIN VATER!“
Ich war so von seiner Erzählung gefesselt, dass ich die Bedeutung seiner letzten Worte erst gar nicht begriff. „Was . . . ?!“
„Samantha!“ Grimmt sah mich eindringlich und wachsam an. „Ich kannte deine Eltern!“
Mir fiel die Kinnlade herunter . . . War das ein schlechter Scherz?
„Ich war ein guter Freund von deiner Mutter und ihrem Bruder James. Sie waren als Kinder oft bei uns zu Besuch. Dort lernte sie dann auch . . . Ich will verflucht sein, wenn er nicht dein Vater war!“ Er klopfte sich auf die Knie und stand auf, raufte sich die Haare.
Dexter legte gerade ein mit Jod getränktes Tuch auf meine Hand. Zustimmend nickte er Grimmt zu. „Ja, das glaube ich auch.“
„Könntet ihr bitte damit aufhören?!“, rief ich aufgebracht heraus. „Mein Vater war kein Unsterblicher, sondern ein Mensch . . . Ihr irrt euch!“
Grimmt schüttelte resigniert den Kopf. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll.“
„Erzähle ihr alles!“, forderte Dexter und begann über dem feuchten Tuch einen Verband anzulegen.
„Es war noch zu der Zeit, als Frieden zwischen den Unsterblichen und den Menschen herrschte. Wir lebten in derselben Welt, aber sie hatten nicht das geringste Interesse an uns. Mein Vater war ein sehr gebildeter Mann. Durch seinen Wissensdurst getrieben, reiste er an viele Orte. So wollte es das Schicksal wohl, dass er eines Tages zum Clan von Jakes Vater gelangte. Bisher hatte dieser wie alle Unsterblichen geglaubt, Menschen wären primitiv und gewöhnlich. Er war fasziniert von der Klugheit des Mannes. Folglich lud er ihn ein, eine Weile zu bleiben und ihm alles über die Menschen zu lehren. Im Gegenzug gewährte er meinem Vater einen Einblick in das Leben der Unsterblichen. Mein Vater und Silas wurden Freunde, genau wie ihre Kinder. Dass ich teilweise mit Jake zusammen aufgewachsen bin, weißt du ja.“
Grimmt trank einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche.
„Und was hat das jetzt alles mit mir zu tun?“
„Ich ahnte gleich, dass du ihre Tochter bist. Du siehst ihr sehr ähnlich. Deine Mutter war ungefähr achtzehn Jahre alt, als sie mit ihrem Bruder bei uns zu Gast war. An diesem Tag kam Silas mit seiner Familie und Männern eines befreundeten Clans zu Besuch. Er hoffte, dass auch andere Clans Freundschaften mit den Menschen für möglich hielten.“
„So“, murmelte Dexter, „ich bin fertig. Wir sollten versuchen, den Verband jeden Tag zu wechseln. In ungefähr zwölf Tagen können wir dann die Fäden ziehen.“
Ich bat Grimmt ungeduldig: „Und weiter?“
„ . . . Ähm, wo war ich . . . ah ja. Anfangs schien es tatsächlich zu funktionieren. Bis . . . na ja, bis sich ein Unsterblicher in einen Menschen verliebte, in deine Mutter.“
„Aber ist das denn überhaupt möglich? Ihre Frauen sind doch viel . . .“ Ich suchte nach der richtigen Beschreibung. „Sie sind doch so ganz anders, als wir Menschen.“
„Es ist möglich!“, erwiderte Grimmt. „Doch diese Verbindung wurde von allen Clanführern verboten. Es half nichts, dass Silas sich für sie einsetzte. Im Gegenteil: Er bekam Drohungen und wurde mit seinem Clan aus dem Bündnis der Unsterblichen ausgeschlossen. Seine Familie musste in dieser Zeit viel ertragen.“
„Was ist passiert?“
„Silas zog sich zurück und verhielt sich ruhig, um seinem Clan nicht noch mehr zu schaden. Doch dann brannte Dageus mit deiner Mutter durch. Sie wurden von sämtlichen Truppen verschiedener Clans gesucht, waren aber unauffindbar. Man beschuldigte Silas, sie irgendwo versteckt zu halten und erklärte ihm den Krieg.“
Grimmt nahm erneut einen Schluck aus
Weitere Kostenlose Bücher