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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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wischten die Regierenden in Kopenhagen seine Besorgnis mit leichter Hand vom Tisch. Christian fühlte sich so sicher, dass er während des Sommers sogar einen Teil seiner Truppen entließ. Es mag einem vorkommen, als hätten sowohl der dänische Rat als auch der König sorgloser als statthaft gehandelt, doch um ihren Beschluss zu begreifen, muss man das Ganze von ihrem mentalen Horizont aus sehen. Die Schweden hatten sich zwar während des Sommers lautstark beschwert, aber es fiel niemandem ein, ihre Proteste als Ultimatum zu betrachten. Und so dumm konnten die Schweden doch nicht sein, dass sie einen neuen Krieg anfingen, während sie noch bis zum Hals in einem anderen steckten? Außerdem lebten die dänischen Machthaber in der Vorstellung, dass Krieg etwas war, das erst nach einer Phase entsprechender Verhandlungen eintrat, der ein Austausch von Drohungen folgte, die schließlich mit einer förmlichen Kriegserklärung abgerundet wurden. Christian war überzeugt davon, dass ein Kriegsausbruch durch eine derartige förmliche Deklaration angekündigt würde – in einem Brief an seinen besorgten Minister in Stockholm schrieb er beruhigend: «… wollen sie nun endlich darauf los, dann hoffe ich, daß sie als Christen uns warnen, bevor sie etwas beginnen» –, und dann konnte man verfahren wie zuvor: die Streitigkeiten aufschieben, indem man ein Treffen an der Grenze anberaumte, um den Zwist auf zivilisierte Art und Weise beizulegen. Er lebte in einer alten Welt, die in Fragen von Krieg und Frieden gemäßigt und geradlinig war. Christian wurde jedoch bald gewahr, dass diese Welt nicht mehr existierte, dass ein neuer Typ von Krieg im Herzen Europas entstanden war, ein Krieg, der sich jeglichen Beschränkungen und Kontrollen entzog und sich unaufhaltsam vorwärtswälzte.
    Am 12 . Dezember 1643 überschritten schwedische Truppen ohne Vorwarnung oder Kriegserklärung die Grenze nach Holstein. Der Blitzkrieg gegen Dänemark hatte begonnen.
     
    Mitte Dezember 1643 befand sich Erik Jönsson zusammen mit seinem Herrn in Stralsund. Dort erhielten sie «sehr dringende Nachrichten» von Torstensson, worin er mitteilte, er sei «in vollem Marsch auf Holstein» und Rehnskiöld solle ihn dort treffen. Er nahm Erik mit, reiste unverzüglich die Küste entlang und fand den Feldmarschall und den Hauptteil seiner Armee in Kiel. – Dies war Eriks zweiter Krieg, und wieder wurde er Augenzeuge von Kämpfen.
    Torstensson hatte allen Grund, zufrieden zu sein, denn die Überraschung war total gewesen. Die dänischen Behörden wussten nicht einmal, dass das schwedische Heer im nordwestlichen Deutschland stand. Das erfuhren sie erst am Tag
nach
dem Einmarsch! Die Furcht vor dem heranstürmenden schwedischen Heer breitete sich sofort über ganz Jütland aus. Die Schreckensbilder von Wallensteins Vorgehen vor vierzehn Jahren nahmen in der Vorstellung der Menschen wieder Gestalt an, und Flüchtlinge strömten in panischer Angst in die befestigten Städte und festen Orte. Der Adel verließ seine Herrenhöfe, und die Bürger flüchteten aus ihren kleinen Marktflecken. Die sozialen Gegensätze in Dänemark waren bereits zugespitzt, und Bürger und Bauern hatten schon früher Christians teure und abenteuerliche Politik bezahlen müssen, während der Adel begünstigt wurde. In der nun plötzlich entstandenen Notlage kochten diese Stimmungen hoch an die Oberfläche. Der Groll des Volks richtete sich gegen die Aristokratie, die dafür verantwortlich gemacht wurde, dass das Reich so schlecht gewappnet war. Als die Nachricht von dem schwedischen Angriff Seeland erreichte, brach in Helsingør ein Tumult aus, und die Leute misshandelten einen der hohen dänischen Zollbeamten und gaben ihm die Schuld – die Unruhen dort klangen erst ab, nachdem die Behörden Truppen eingesetzt hatten. Auch in Malmö brach der Hader zwischen Adel und Bürgern offen aus. Und im Reich kursierten Geschichten von seltsamen Zeichen und bösen Omina, die die Menschen erblickt hatten: An einer Stelle hatte sich Wasser in Blut verwandelt, und bei einer Schlachtung hatte jemand Kugeln und Pulver in den Eingeweiden eines Tieres gefunden.
    Das überrumpelte Holstein wurde binnen kurzem von schwedischen Truppen überschwemmt. Eine Festung nach der anderen fiel ohne einen Schuss. Trittau ergab sich aus freien Stücken, Oldesloe ebenso, Schloss Breitenburg wurde überrascht, und Itzehoe kapitulierte. Alles verlief nach Plan.
    Bis hierhin konnte man das Ganze von dänischer Seite als

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