Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
die Flutwelle der von Entsetzen gepackten dänischen Flüchtlinge erneut in Bewegung. Wer konnte, verließ jetzt Jütland und floh hinüber auf das nahegelegene Fünen, und zahlreiche Adlige packten Frau, Kinder und alles bewegliche Gut auf Boote und ließen sich nach Kopenhagen segeln. Auch dort herrschte großes Entsetzen: Ein Teil der vermögenden Bürger mietete Schiffe und segelte davon, um in Danzig Schutz zu suchen, während andere sich in Hamburg und Lübeck in Sicherheit brachten.
Nachdem die schwedische Armee Herzog Friedrichs III . eine Neutralitätszusage – eine Handlung, die in Kopenhagen ungeheure Verwunderung und Verbitterung hervorrief, weil er dadurch seine Pflicht als Vasall des dänischen Königs verriet und sich stattdessen Schweden annäherte –, eine Anzahl Musketiere sowie eine Kontribution von 100 000 Reichstalern abgepresst hatte, brach sie Anfang Januar auf und stapfte in langen, gewundenen Kolonnen nach Norden in ein winterliches Jütland. Die Dänen schienen wie gelähmt zu sein, denn obwohl die Schweden Tag für Tag weiter nach Norden vorstießen, trafen sie nirgends auf Widerstand. Das war eigentlich kein Wunder. In Dänemark lebte man in mehr als einer Hinsicht noch in der alten europäischen Ordnung. Vor dem 17 . Jahrhundert hatte es keine stehenden Armeen von Format gegeben. Wenn ein Fürst sich zum Krieg entschloss, warb er Söldner in gewünschter Zahl an und behielt sie in seinem Dienst, solange der Unfriede währte. Dies war ein Leichtes für den dänischen König, der nicht nur viel Geld, sondern auch den großen Werbemarkt in Deutschland vor der Haustür hatte. Für den Krieg gegen Schweden 1611 bis 1613 und für Christians ziemlich missglückten Versuch zwischen 1625 und 1629 , wie der Löwe aus dem Norden auszusehen, waren Armeen gekauft worden. Nach dem letzten Krieg hatte man die geworbenen Truppen nach gewohntem Brauch entlassen. Der konservative dänische Reichsrat, der König Christian bei dessen Versuchen, einen modernen, zentralisierten Staatsapparat aufzubauen, gerne Knüppel zwischen die Beine warf, hatte seitdem mit großem Erfolg die Bemühungen des Königs, eine stehende Armee aufzustellen, blockiert. Alle Aristokraten in Europa schauderten, wenn ihre Fürsten davon sprachen, ein stehendes Heer zu schaffen, denn sie wussten, dass ein solcher
miles perpetuus
dem Monarchen die Möglichkeit gab, alle anderen politischen Machtzentren im Reich auszuschalten und praktisch die Alleinherrschaft auszuüben. Christian selbst hatte zuvor einen Vorschlag der Städte vom Tisch gewischt, wonach diese sich erboten, eine ausgehobene Armee zur Verteidigung des dänischen Reiches aufzustellen. Als Torstensson mit seinen 16 000 kampfgewohnten Soldaten angezogen kam, stand Dänemark also nahezu wehrlos da. Außer den schwachen Besatzungen in den verschiedenen Festungen gab es in ganz Dänemark nur zwei geworbene Regimenter zu Fuß und vier Kompanien zu Pferd. Das war alles. Diese 5600 Mann waren außerdem über das ganze dänische Reich verstreut, und der Hauptteil von ihnen lag in Schonen. Die schwedischen Machthaber wussten, wie jämmerlich schwach die dänischen Landstreitkräfte waren, und deshalb glaubten sie, dass die Kampagne im Handumdrehen beendet sein würde.
Erst als die schwedische Armee die Gegend von Kolding erreichte – ganz in der Nähe der Stelle, wo der Kleine Belt am schmalsten ist und von wo die Angreifer nach Fünen übersetzen sollten –, stießen sie auf dänische Truppen. Am 9 . Januar versuchten 1900 dänische Kavalleristen, ihnen den Weg nach Norden zu versperren, doch hartgesottene schwedische Reiterei ging zum Angriff über und konnte nach kurzem Kampf in der Kälte ihre dänischen Kollegen in die Flucht schlagen. Als das schwedische Heer sich mit hohem Tempo der Stelle näherte, die man für die Überfahrt ausersehen hatte, fand man dort ein befestigtes Lager, das offenbar nicht fertiggebaut war. Torstensson wollte keine Zeit verlieren, und schon am Abend sah man die Mündungsfeuer der schwedischen Artillerie aufblitzen, als sie begann, die Festung zu beschießen.
Sternschnuppe auf Sternschnuppe
ritzte des Himmels dunkelblaues Tuch.
Am 14 . Januar, nach einem abschließenden Trommelfeuer, nahm das schwedische Heer in langen, dichten Linien vor den aufgewühlten Erdwällen des Lagers Aufstellung. Als sie in dem fahlen Januarlicht heranmarschierten, sahen sie plötzlich, wie die dänischen Soldaten im Lager ihre Waffen fortwarfen und auf sie
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