Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
den schwedischen König wie auf einen Messias warte. Auf deutschem Boden bekam die Weissagung durch neue Gesichte und Visionen noch mehr Kraft – Visionen, die immer zahlreicher wurden, je mehr die Rückschläge der Protestanten ein Bild des Untergangs heraufbeschworen und vage Gerüchte über ein schwedisches Eingreifen in den Krieg in Umlauf waren. Astrologische Voraussagen, die diese Gerüchte bestätigten, häuften sich. Jemand grub das alte Prognostikon des dänischen Astronomen und Bauernschinders Tycho Brahe von 1573 aus, das er als Erklärung der Supernova schrieb, die er im Jahr zuvor im Sternbild Kassiopeia geschaut hatte: War da nicht von großen politischen Umwälzungen die Rede, von einem starken Licht aus dem Norden, das die Schrecken der Nacht verjagen würde, und hatte dieser bedeutende Astronom nicht auch errechnet, dass der neue Stern um das Jahr 1632 seinen größten Einfluss erreichen würde? Visionäre traten auf – ein schlesischer Gerber hier, ein böhmisches Mädchen dort, ein pfälzischer Schullehrer, eine Schlachterstochter aus Mecklenburg und so weiter – und erzählten von Gesichten, die sie hatten, als der Geist über sie gekommen war, Gesichte, die sämtlich auf einen Befreier hinwiesen, der aus dem Norden kommen sollte. Nicht nur ekstatische Individuen gerieten über diese Träume außer sich. Im Februar 1628 , wird berichtet, konnten mehrere hundert entsetzte Personen in einer Stadt in Nordschleswig ein sonderbares Schauspiel am Himmel beobachten: Eine große Armee in guter Ordnung, mit Musketieren, Kanonen und Kavallerie, kam von Norden heranmarschiert. Ein anderes Heer kam von Süden herauf. Die beiden Armeen stießen in einer blutigen Schlacht aufeinander, und die Truppen aus dem Norden siegten. Mehrere Luftschlachten dieser aparten Art wurden in der folgenden Zeit an verschiedenen Stellen in Norddeutschland gesehen, und an einem Januarmorgen des Jahres 1630 sahen die Einwohner von Eger, wie ein Adler und ein Löwe zwischen den Wolken am Himmel miteinander kämpften und wie der Löwe am Ende siegte.
In dieser aufgeheizten Atmosphäre waren die ersten schwedischen Soldaten an jenem warmen Tag im Juni 1630 auf deutschem Boden an Land gewatet. Zu diesem Zeitpunkt schien es eher, als sei der Frieden nahe. Die Kriegshandlungen hatten aufgehört, und der Kaiser bereitete sich darauf vor, einen Krieg zu beenden, den er bereits als gewonnen betrachtete. Er hatte begonnen, seine kostspielige Armee zu demobilisieren, ein Vorgang, der von anerkennendem Beifall der katholischen Reichsfürsten begleitet wurde, welche erschrocken waren über die neue Macht des Kaisers, die proportional zu seinen wiederholten Siegen über die Dänen wie auch über einheimische Protestanten angewachsen war. Ihre Furcht und ihr Missvergnügen richteten sich in erster Linie gegen den skrupellosen Wallenstein und sein Heer. Die Fürsten klagten ihn der reinen Erpressung von Land und Leuten an und rangen die Hände über seine verschiedenen Befehlshaber, die sie durchaus zu Recht als «unwillkommene Kriegsprofiteure und Verbrecher, die die Reichsgesetze brechen», beschrieben. (Später in diesem Jahr wurde der Kaiser gezwungen, seinem hageren Feldherrn den Laufpass zu geben.) Die politischen Reibereien zwischen dem Kaiser und seinen Fürsten waren sehr bedeutsam, weil sie die unvorbereitete katholische Kriegsmacht in der ersten Jahreshälfte 1630 lähmten.
Gustav Adolfs Heer konnte deshalb an Land gehen, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. In den ersten vierundzwanzig Stunden bemerkten die schwedischen Soldaten überhaupt nichts von ihrem Feind. Das Einzige, was sie sahen, war der Widerschein von Feuern in der Ferne, die signalisierten, dass die Schweden an Land gegangen waren. Und die verstreuten kaiserlichen Scharen, auf die man in den folgenden Tagen traf, wichen ohne größere Umstände aus.
Angesichts all der Weissagungen, Zeichen und großen Wunder, die im Schwange waren, und all der großen Hoffnungen, denen jene einerseits entsprangen und die sie andererseits nährten, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Nachricht von der Landung der Schweden bei den breiten protestantischen Schichten mit Freude, ja sogar mit Jubel aufgenommen wurde. Wallenstein selbst hatte ja gesagt, dass die deutschen Protestanten auf Gustav Adolf warteten «wie die Juden auf ihren Messias», und die Hurrarufe, die vom Volk zu hören waren, gaben ihm recht. (Die Schriftstellerheroen, die für die schwedische
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