Verwunschen
Gemüseeintopf zu erwärmen.
»Und, wie war eure Nacht?«, erkundigte sich Kylah, als sie später jeder mit einer Schale Suppe auf den Knien vorm Feuer saßen.
Mona und Patrick tauschten Blicke. »Normal«, sagte Patrick schnell. »Nichts Besonderes passiert, warum?«
Kylah sah ihn durchdringend an, und Mona hatte den Verdacht, dass sie die Lüge durchschaute. Doch sie murmelte nur: »So, so. Wie ungewöhnlich, dass euch die Unsichtbaren so ungeschoren davonkommen lassen.«
»Unsichtbare!«, wiederholte Patrick, und sein Ton sagte deutlich, was er von dem Thema hielt. Das entging auch dem Großvater nicht.
»Ich solltet nicht so abfällig reden. Diese Wesen sind hier schon länger zu Hause als wir. Sie dulden uns und dafür sollten wir sie mit Respekt behandeln.«
»Und was sind diese Unsichtbaren für Wesen?«, erkundigte sich Mona höflich, auch wenn sie an so etwas nicht glaubte.
»Tja«, sagte der alte Mann schmunzelnd. »Es gibt sehr viele verschiedene Wesen in Irland, die wir die Magischen oder die Unsichtbaren nennen, da sie sich uns Menschen nicht immer offenbaren.« Er tastete hinter sich, bis seine Finger ein Buch berührten. Fast zärtlich nahm er es in die Hände, dann reichte er es Mona. Es war alt und an den Rändern zerfleddert. Sicher hatte er sehr oft darin geblättert.
»Da, sieh hinein. Dort drin findest du einige Abbildungen, die meine Mutter vor vielen Jahren gezeichnet hat. Sie war eine weise Frau und unter den Magischen hoch angesehen.«
Mona und Patrick tauschten Blicke, dennoch nahm Mona das Buch und schlug es auf. »Oh, wie schön!«, entfuhr es ihr. »Darf ich es mir eine Weile ausleihen? Ich male auch sehr gern und möchte ein paar der Wesen abzeichnen.«
Kylahs Großvater zögerte, dann aber lächelte er. »Ja, aber gib gut auf das Buch acht.«
Mona versprach, es sorgfältig zu hüten. Sie legte beide Hände auf den alten Leineneinband, der sich seltsam warm anfühlte und unter ihren Fingern zu pulsieren schien.
E s war ein fröhlicher Abend. Brenda blieb nach dem Abendessen noch eine Weile und brachte den Zwillingen ein irisches Kartenspiel bei. Zu Anfang kam es ihnen recht knifflig vor, doch als ihnen die Regeln vertrauter wurden, musste sich die Nachbarin richtig anstrengen. Als Brenda dreimal hintereinander verloren hatte, legte sie die Karten beiseite und stemmte sich aus ihrem Sessel hoch.
»Ihr seid mir zu schlau. Das ist ja frustrierend! Da fahre ich doch lieber nach Hause und genehmige mir in meinem Lieblingssessel noch ein schönes Glas Whiskey.« Sie lächelte die beiden fröhlich an, dann fiel ihr Blick auf die Standuhr. »Himmel, es ist ja schon beinahe elf. Ihr gehört ins Bett! Verratet mich ja nicht bei Myrna. Sie hält mir eine Standpauke, wenn sie erfährt, dass ich euch so lange habe aufbleiben lassen.«
Die Zwillinge versicherten gähnend, dichtzuhalten, und begleiteten Brenda bis zur Tür.
»Legt den Riegel an der Vorder- und Hintertür vor«, mahnte sie, »und fürchtet euch nicht zu sehr, wenn ihr das ein oder andere unbekannte Geräusch hört.« Sie zwinkerte den Kindern zu. »Man sagt, Häuser hätten eine Seele und eine eigene Persönlichkeit, und je älter sie werden, desto eigensinniger können sie sein!«
»Will sie damit sagen, dass Häuser leben?«, fragte Mona kopfschüttelnd, als Patrick den Riegel vorschob.
»Keine Ahnung. Die Leute hier sind echt seltsam. Die einen glauben an Unsichtbare, die andere an Häuser mit einer Seele!«
Sie waren so müde, dass sie unten das Licht löschten und sich mit Cera in ihre Schlafkammer zurückzogen. Im Haus war es ruhig. Selbst der Wind hatte sich gelegt, sodass nicht nur Patrick sondern auch Mona schnell einschlief.
WHAMM ! Die Zwillinge fuhren hoch und Patrick knipste die Nachttischlampe an.
»Was war das?«, fragte Mona mit hämmerndem Herzen. Es war kurz nach ein Uhr, und sie konnte sich nicht erklären, was dieses infernalische Krachen erzeugt haben könnte.
»Keine Ahnung.« Auch Patrick war ganz blass um die Nase.
Die Geschwister lauschten und starrten einander mit weit aufgerissenen Augen an. Auch Cera war aufgesprungen und stand wachsam an der Tür. Wieder polterte es. Die Blicke der Zwillinge wanderten zur Decke.
»Das hört sich an, als würde es vom Dachboden kommen.« Monas Stimme zitterte ein wenig. Patrick nickte stumm. Er schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Seine Miene verriet Entschlossenheit, als er auf die Tür zuging. Mona sprang rasch aus dem Bett.
»Ich komme
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