Verwunschen
euch an. Und dann kommt zum Frühstück herunter.«
Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen. Sie liefen die Treppe hinauf, doch dann zögerte Mona und stieg die letzten Stufen langsam hoch, bis sie den kurzen Flur überblicken konnten. Patrick war dicht hinter ihr. Sie konnte ihn aufstöhnen hören, als er sah, was auch sie entsetzt anstarrte. Die Tür zum Dachboden war zwar geschlossen und auch der hochlehnige Sessel, den sie aus Myrnas Schlafzimmer geholt hatten, war noch da, nur dass er nicht mehr unter der Klinke klemmte, sondern provokativ in der Mitte des Flurs stand.
»Da legt es jemand darauf an, uns Angst einzujagen!«, knirschte er.
Mona drehte sich zu ihm um. »Jemand?«
Patrick ging vor und nahm etwas vom Sessel. »Das kann kein Tier gewesen sein, ist ja wohl klar, oder?« Er reichte den Gegenstand seiner Schwester. Es war ein kleines Medaillon, das drei über Kreuz gelegte Knochen oder so etwas Ähnliches zeigte.
»Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte Patrick seine Schwester. Sie schüttelte den Kopf.
»Also war heute Nacht noch ein Mensch außer uns im Haus«, ergänzte Mona mit zitternder Stimme. Selbst jetzt bei Tag, wo das Geklapper der Pfannen auf dem Herd von unten heraufdrang, jagte es ihr einen Schauder über den Rücken. »Aber wer und warum?«
Patrick sah sie ernst an. »Einer der MacOwens?«
Mona blinzelte ungläubig und starrte auf das Medaillon in ihrer Hand hinunter. »Was? Nur weil Brenda sie nicht mag, sollen wir glauben, sie brechen in Grand Myrnas Haus ein? Und das, wo sie ihnen erlaubt hat, in dem Häuschen zu wohnen?«
»Ich habe ja nicht behauptet, dass sie Grandma bestehlen wollen«, verteidigte Patrick seine Unterstellung. Er nahm Mona das Medaillon aus der Hand und folgte ihr weiter ins Bad.
»Und was haben sie sonst im Haus und auf dem Dachboden mitten in der Nacht gesucht?«
Patrick hob resignierend die Arme. »Keine Ahnung. Vielleicht war ja Kylah einfach nur neugierig und wollte sich ein wenig umsehen.«
Darüber musste Mona erst einmal nachdenken. Sie putzte sich so lange die Zähne. Als sie sich den Mund ausgespült hatte, sagte sie: »Das erklärt aber nicht, wie sie reingekommen ist, nachdem wir beide Türen verriegelt haben. Und wie derjenige, dessen Schritte wir auf dem Dachboden gehört haben, die Tür öffnen und den Sessel in die Mitte des Flurs stellen konnte.«
»Vielleicht ist sie durch den Keller reingekommen und hat ihren Bruder mitgebracht? Über den Zugang aus dem Garten?«
»Aber die Tür zur Küche ist doch auch verschlossen«, widersprach Mona. Sie schwieg, während sie sich energisch die Haare bürstete.
»Oder es war etwas ganz anderes«, fuhr sie dann fort.
Patrick seufzte noch einmal. »Du denkst an die seltsame Spur.«
Mona nickte. »Ja, sie ist unerklärlich. Es sei denn, man glaubt an das Unmögliche.«
»An Unsichtbare«, stieß Patrick hervor, doch es klang nicht mehr so verächtlich, wie er es vielleicht beabsichtigt hatte.
Als die Kinder nacheinander herunterkamen, hatte Brenda wieder ein üppiges irisches Frühstück zubereitet. Doch obwohl sie wie gestern gut zulangte, war sie nicht so fröhlich. Sie saß nur da, den Blick gesenkt, und schaufelte Ei, Bohnen und Speck in sich hinein, während sie immer wieder die Stirn in Falten legte. Endlich, als die Zwillinge ihre Teller bereits geleert hatten, hob sie den Blick.
»Wir können ins Krankenhaus fahren und Myrna besuchen«, schlug sie vor. »Ab heute Nachmittag muss ich dann leider arbeiten. Das kann spät werden«, fügte sie mit einem Seufzer hinzu und fragte dann: »Wollt ihr heute Nacht in meinem Haus schlafen? Nicht dass euch hier Gefahr drohen würde«, fügte sie schnell hinzu. »Aber wenn es euch hier alleine zu unheimlich ist? Ich werde zwar bis nach Mitternacht fort sein, doch danach wäre ich im Haus.«
Mona überlegte, doch Patrick lehnte den Vorschlag dankend ab. »Das ist nicht nötig!«, sagte er und versuchte sich an einer überlegenen Miene.
Mona nickte zustimmend. Vielleicht war es ja doch nur Kylah gewesen, deren Neugier sie ins Haus getrieben hatte. Oder hatte sie die Zwillinge gar absichtlich erschreckt, um ihnen dann eine neue Geschichte über magische Wesen aufzutischen? Je mehr sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien ihr diese Lösung. Beschämt dachte sie daran, wie sie Hals über Kopf ins Wohnzimmer hinuntergeflohen waren und sich dort verbarrikadiert hatten. Kylah hatte sich sicher halb totgelacht und dann, als
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