Verzehrende Sehnsucht
"Trotzdem! Ich wage zu bezweifeln, dass es reiner Zufall war, der Euch so weit von der Hauptstraße weggeführt hat."
"Da habt Ihr Recht", antwortete Blaidd mit dem freundlichsten Lächeln, das er aufzubringen vermochte. "Aber der Anlass meines Besuchs bei Euch ist einer, über den ich lieber gern unter vier Augen mit Euch reden würde, wenn das möglich ist."
"Natürlich! Wir können alles in meinem Arbeitszimmer besprechen."
Lord Throckton führte Blaidd zu der Treppe, die er gerade hinuntergekommen war, und vergewisserte sich mit einem Blick über die Schulter, ob Blaidd ihm folgte.
Als sie das obere Stockwerk erreicht hatten, öffnete Throckton eine Tür zu einem lichtdurchfluteten Turmzimmer, das dem Lord als Arbeitsund Besprechungszimmer diente. Er bedeutete Blaidd mit einer Geste, vor ihm einzutreten. Blaidd trat ein und befand sich alsdann in einem äußerst behaglichen Raum, der ebenfalls bezeugte, dass Lord Throckton ein reicher Mann war, der die Annehmlichkeiten des Lebens schätzte. An den Wänden hingen farbenfrohe Teppiche; die Stühle waren aus heller Eiche gefertigt und mit Seidenkissen in lichten Edelsteinfarben bedeckt. Auf dem Tisch verstreut lagen viele Pergamentrollen neben einem Tintenbehälter, einigen Federn und einem silbernen Kerzenhalter. In einer grün-blauen, offen stehenden Truhe stapelten sich weitere Pergamentrollen, wahrscheinlich Lehensberichte und andere geschäftliche Papiere. In einer Kupferpfanne glühten Kohlen; der größte Teil des Steinbodens wurde von einem Teppich bedeckt. Vor den hohen, schmalen Fenstern hingen aus Leinen gefertigte Vorhänge, die den kühlen Frühlingswind abhielten.
Blaidd fühlte sich wie in einem warmen, behaglichen orientalischen Kokon. Dieser Raum unterschied sich gewaltig von denen anderer Edelleute, deren Arbeitsräume meist eher schlicht und kühl ausgestattet waren.
Vor Behagen aufseufzend, sank Lord Throckton auf das purpurfarbene Seidenkissen, das auf dem kunstfertig geschnitzten Stuhl hinter seinem Tisch lag; der Stuhl selbst war mit Wein und Trauben, Blättern und Ranken verziert. Er bedeutete Blaidd, sich auf den nur wenig schlichteren Stuhl ihm gegenüber zu setzen.
"Seid Ihr zufällig mit Sir Hu Morgan verwandt?" fragte Lord Throckton, nachdem er Platz genommen hatte.
Blaidd verbarg seine Überraschung nicht. "Ich bin sein Sohn. Kennt Ihr meinen Vater?"
Um Lord Throcktons Augen zeigten sich jetzt kleine Fältchen, als er wieder lächelte. "Nein. Ihr wisst sicher, dass ich ein eher seltener Gast bei Hofe bin. Westminster und London sind zu laut und geschäftig für meinen Geschmack. Aber ich habe nichtsdestotrotz einiges von ihm gehört. Er hat viele bedeutende Freunde."
"Mein Vater macht ebenfalls selten Besuch bei Hofe", antwortete Blaidd. Er wollte nicht weiter auf die Freunde seines Vaters eingehen, von denen einige in der Tat sehr einflussreich waren. "Er teilt Eure Abneigung, was Städte anbelangt, und zieht es vor, zu Hause zu bleiben."
"Mit Eurer Mutter, die dem Vernehmen nach eine sehr schöne Frau ist", fügte Lord Throckton lächelnd hinzu. "Was für ein weiser und glücklicher Mann."
Blaidd neigte den Kopf und widersprach nicht.
"Ich erinnere mich noch gut an die Eheschließung. Damals waren viele Leute darüber entsetzt und schockiert, dass Lady Liliana einen Mann heiratete, der einst ein Schafhirte gewesen war."
Lord Throckton sagte das zwar weder bösartig noch respektlos, trotzdem spannten sich Blaidds Kiefermuskeln. Er erwiderte nichts, bis er die Wut niedergerungen hatte, die solche Bemerkungen über die Ehe seiner Eltern immer bei ihm hervorriefen. "Mein Vater war ein Ritter, als sie ihn heiratete."
"Und ein sehr gut aussehender Mann dazu, genauso wie sein Sohn. Ich vermute, dass Ihr gekommen seid, weil Ihr um meine schöne Tochter werben wollt?"
"Die Kunde von Lady Laelias Schönheit ist bis zum Königshof gedrungen. Ich bin unverheiratet und hoffe, dass die Abstammung meines Vaters in Euren Augen nicht gegen mich spricht, sondern Ihr mir zumindest das Privileg einräumt, Eurer Tochter zu begegnen und sie kennen zu lernen."
"Das werde ich mit Vergnügen tun. Ich habe großen Respekt vor Männern, die sich über ihren Stand erhoben haben", entgegnete Lord Throckton. Und diesmal klang er völlig aufrichtig. "Und meine Tochter auch."
"Dürfte ich dann um Eure Erlaubnis bitten, um sie zu werben, wenn sie damit einverstanden ist, Mylord?"
Lord Throckton spielte mit dem dicken Goldring an seiner linken Hand
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