Verzeihen
nicht.
Er wandte den Blick von seinem Spiegelbild ab.
Warum saß er in dieser U-Bahn? Und stieg an der nächsten Station aus? Ein Rätsel. Was will ich da? Er wusste, wohin er wollte. Wozu?
An der Haltestelle Sendlinger-Tor-Platz spuckte er auf den Boden.
»Pfui!«, sagte eine Frau.
»Wrauu!«, bellte Schilff. Und nahm auf der Treppe zwei Stufen auf einmal.
Draußen blieb er wie versteinert stehen.
Der Gedanke, der ihn in der Lämmerstraße überwältigt hatte, begann sein Herz zu besetzen.
7
M itten im Satz stand sie auf. Ging zum Fenster. Schob die Gardine beiseite. Und blickte in den verwilderten Garten.
Zwei schwarze Katzen spielten mit einer Plastikgießkanne.
Sonja und Süden saßen am Wohnzimmertisch. Nebeneinander.
Gegenüber der Couch, die übersät war von Kissen in Brauntönen.
Als sie vom Fenster zurückkam, wo sie stumm und abweisend verharrt hatte, schob sie die Kissen in die Ecke und ließ sich gegen die Lehne fallen.
Paula Jennerfurt war dreiundsechzig. Dürr und grauhaarig.
Und die Anwesenheit der Polizisten nervte sie zunehmend. Auf keine einzige Frage antwortete sie direkt. Sie sagte etwas. Mit kalter, knurrender Stimme. Verstummte. Ließ Süden oder Sonja eine Frage stellen. Und machte unbeeindruckt weiter. Ab und zu erhob sie sich und ging zum Fenster.
»Sind Sie sicher, dass Sie in den vergangenen Monaten nicht mit Ihrer Tochter gesprochen haben?«, fragte Sonja. Weder ihr noch Tabor Süden hatte Paula etwas angeboten. Sie selbst trank Tee aus einem Glas.
»Die haben diese Hinterzimmer für Männer, wofür denn sonst?«, sagte Paula. Und sah zwischen Sonja und Süden hindurch. »Wer einmal so einen Weg eingeschlagen hat, der kommt da nicht mehr raus. Kann mir niemand erzählen, alles Gesülze. Jenny denkt, sie kann bluffen, kann sie nicht, ich bin schlauer, ich durchschau sie.«
»Sie sagen Jenny zu Ihrer Tochter?« Vornübergebeugt saß Süden auf dem Stuhl, die Ellbogen auf die Schenkel gestützt, die Hände wie zum Gebet pyramidenartig aneinander gelegt.
»Das kümmert mich doch nicht, wie diese Männer sie nennen, das ist alles ekelhaft, und ich will damit nichts zu tun haben.
Jenny. Wie denn sonst? Die Männer sagen Jenny zu ihr, und in der Zeitung stand auch Jenny. Sie hat gedacht, dann kommt ihr niemand drauf, ich schon. Ich hab immer gewusst, was sie treibt. Sie hat sich entschieden, eine Nutte zu sein. Ich leb hier, sie lebt in der Stadt, das ist weit weg, ich bin froh, wenn ich sie nicht sehen muss.«
»Seit zwei Jahren hat sie eine Kneipe, sie arbeitet nicht mehr im Milieu«, sagte Sonja.
»Wo denn sonst? Schauen Sie sich die Hinterzimmer an, gehen Sie mal hin, da hocken die Männer mit offenem Hosenstall, fragen Sie die doch, wo meine Tochter ist, die werdens wissen, die wissen das garantiert.«
»Da sind keine Hinterzimmer, Frau Jennerfurt«, sagte Süden.
»Mein Mann ist gestorben, das war der Anfang. Sie hat ihn vergöttert, so was passiert bei Töchtern, die drehen dann durch, die lieben ihren Vater wie einen Gott, da sind Sie als Mutter draußen, und das bleiben Sie auch. Auch wenn der Vater stirbt.
Dann erst recht, die Tochter liebt ihn und keinen anderen. Aber das können Sie vergessen, wenn Sie denken, sie ist deswegen Nutte geworden, mit so was Psychologischem brauchen Sie mir nicht zu kommen, das interessiert mich nicht. Die ist Nutte geworden, weil sie damit einen Haufen Geld verdient und weil sie die Männer verachtet, das ist nämlich die Wahrheit, sonst nichts. Sie ist scharf aufs Geld und verachtet die Männer. Das passt.«
»Ihre Tochter hat Sie vor zwei Jahren das letzte Mal angerufen, was wollte sie von Ihnen?« Sonja hatte ihre Schirmmütze auf.
Und fröstelte. Gern hätte sie ihren Mantel geholt. Der hing im Flur an der Garderobe.
»Wenn sie mir Geld angeboten hätte, hätt ichs ihr ins Gesicht geworfen. Ich brauch ihr dreckiges Geld nicht, ich hab mein Leben lang mein eigenes Geld verdient. Ich bin gelernte Krankenschwester, und ich hab in einer Apotheke gearbeitet, ich kenn mich mit Medikamenten aus, ich komm gut über die Runden. Ich brauch kein fremdes Geld. Ich weiß nicht, wo meine Tochter ist. Würden Sie mich bitte jetzt allein lassen, ich bin erkältet, ich muss mich ausruhen, morgen helf ich einer Freundin auf dem Töpfermarkt, die hat sich die Hand gebrochen.«
»Wir sind extra zu Ihnen rausgefahren, weil wir dachten, Sie können uns helfen«, sagte Sonja. »Sie haben uns gebeten zu kommen.«
»Da haben Sie was
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