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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Grübchenglotzerei. Ich konnte nichts dagegen tun.
    »Noch bin ich rank und schlank. Oder etwa nicht?«, fragte er.
    »Doch, bist du«, erwiderte ich spitz und zog mich auf mein Bett zurück. Widerwillig riss Leander sich von seinem Spiegelbild los und drehte sich zu mir um.
    »Hausaufgaben fertig? Französisch-Konjugationen gelernt?«
    Ich streckte ihm nur die Zunge raus. Manchmal benahm er sich wie mein Hauslehrer. Leander sprach fließend Französisch und ja, es hatte Wirkung gezeigt. In der letzten Arbeit hatte ich sogar eine Eins geschrieben. Das hatte Frau Dangel fassungslos gemacht. Mama auch. Ich hatte diese gute Zensur einzig Leander zu verdanken. Er quälte mich jeden Abend mit Französisch, abwechselnd Grammatik und Vokabeln. Und ich wurde immer besser. Das hieß aber noch lange nicht, dass ich Französisch mochte. Ich mochte es, wenn Leander abends französisch vor sich hin brabbelte oder leise sang. Doch ich mochte es nicht, wenn ich es selbst sprechen musste und gar von Leander abgehört wurde.
    »Alors!«, rief er zufrieden. »Dann können wir uns ja den menschlichen Gefühlen zuwenden.«
    Ich wollte gerade eine schlüssige Ausrede erfinden, wieso wir genau das nicht tun konnten, als draußen vor meiner Zimmertür ein kleiner Tumult ausbrach.
    »Heribert! Schnell! Hierher!«, gellte es aus dem Wohnzimmer. Mama. Mit einer Stimme wie eine schmetternde Posaune. Sie zitierte meinen Vater herbei.
    Leander reckte neugierig den Kopf. »Was zum Beispiel war das für ein Gefühl?«
    »Entsetzen, würde ich sagen«, antwortete ich gelangweilt. »Der Fernseher mal wieder?«
    »Möglich.«
    Leander zuckte mit den Schultern. Ich stöhnte gereizt auf. Leander durfte nur noch alle zwei Tage duschen. Denn seine dauernden Duschorgien wurden auffällig. Schließlich musste ich immer dabeibleiben. Heute war mein Duschtag gewesen – ich hatte mich nach dem Essen alleine ins Bad einschließen dürfen. Und wie es aussah, hatte Leander während dieser Zeit wieder ferngesehen. Französische Kanäle. Ohne den Fernseher anschließend auszuschalten. Zum fünften Mal in Folge.
    Nun eilten auch schon Papas Schritte herbei.
    »Das muss irgendein Zeichen sein! Ein Zeichen!«, krakeelte Mama.
    »Bitte, Rosa, verschone mich mit Zeichen. Es genügt, dass deine liebe Frau Mutter überall und zu jeder Zeit Zeichen von höheren Mächten zu sehen glaubt. Wahrscheinlich war es Luzie.«
    »Warum sollte Luzie einen französischen Nachrichtensender anschauen?«, trompetete Mama.
    »Ja, warum?«, fragte ich und stierte Leander vorwurfsvoll an. »Und wolltest du nicht Daily Soaps und Liebesfilme sehen, als Vorbereitung für die Gefühle?«
    »Jaaaah«, erwiderte Leander gedehnt. »Schon. Aber die sind so la-haaangweilig. Dauernd weinen die Frauen und die Männer gucken nur wichtig und prügeln sich oder machen dumme Sachen, ständig wird jemand krank oder stirbt oder – puuh. Nee. Nicht gut.«
    Also waren sie nicht langweilig, sondern Leander verstand sie nicht. Oder er fürchtete sich vor den toten Menschen. Mamas Stimme näherte sich. Dann hämmerte sie aufgeregt gegen meine Tür.
    »Komm rein, Mama.«
    »Luzie!« Sie sah zerzaust aus. Und ein bisschen ängstlich. »Liebes, hast du ferngesehen? Etwas – Französisches?«
    »Ja«, log ich. »Mussten wir für die Schule machen. Sorry, hab vergessen auszuschalten.«
    Leander pfiff vergnügt vor sich hin und überprüfte in aller Seelenruhe seine Fingernägel. Mama prustete erleichtert.
    »Na, dann ist ja gut. Ich dachte schon …« Sie schüttelte ihren wirren Lockenkopf, als wolle sie einen Schwarm Wespen vertreiben. Klirrend sprang ein rosafarbenes Spängchen in die Luft. Mit einer ausladenden Bewegung fing Mama es auf, bevor es zu Boden fallen konnte. »Und das hier?« Sie zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus ihrer Hosentasche. »Ist das auch für die Schule?«
    Zögerlich nahm ich das Blatt entgegen. Oh nein. Es waren die Witze aus der Tageszeitung; einer nach dem anderen sorgfältig ausgeschnitten und nebeneinandergeklebt. Leanders Werk. Ich hatte ihm vergangene Woche zumindest eine rein menschliche Eigenschaft zu erklären versucht. Humor. Und nun wollte er sich um jeden Preis beibringen, witzig zu sein. Er sammelte all die Kalauer, lernte sie auswendig und erzählte sie mir bei den unpassendsten Gelegenheiten.
    »Ähm. Ja. Deutsch«, nuschelte ich und steckte es rasch in meine Schultasche. Leander hatte sogar den Hägar-Comic daruntergeklebt und bunt ausgemalt. Oh Gott.
    »Ihr

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