Veyron Swift und das Juwel des Feuers
Jahrhunderts, als England noch ein Empire war. An den Wänden hingen Gemälde verschiedener – wahrscheinlich bedeutender – Personen, die Tom jedoch alle nicht kannte.
Veyron ging voraus, führte Tom durch die Absperrungen der Polizei und sie gelangten zu Gregson, der im Wohnzimmer schon auf sie wartete. Der Inspektor, der sein silbergraues Haar in militärisch strenger Bürstenfrisur trug, kaute pausenlos auf einem Kugelschreiber, während seine wachen Augen den Tatort abtasteten.
»Ah, Gregson, der beste Mann vom CID. Was haben Sie für mich?« fragte Veyron mit einer Selbstverständlichkeit als würde er die Ermittlungen leiten und nicht der Inspektor.
»Sieht nach Mord aus. Kommen Sie rein, Veyron. Der arme Kerl liegt noch im Arbeitszimmer«, erwiderte Gregson. Sie verließen das Wohnzimmer durch eine Seitentür und betraten das Arbeitszimmer, das in Toms Augen ebenfalls wie ein zweites Wohnzimmer aussah (auch hier wieder bequeme Plüschmöbel), nur dass zusätzlich noch ein kleiner Schreibtisch in der Mitte des Raumes stand. Dahinter lag ein älterer Mann zusammengekrümmt auf dem Boden. Er schien einmal eine nette Person gewesen zu sein, mit einem gutmütigen, runden, großväterlichen Gesicht, schneeweißem Haar und einer wohlgenährten Statur. Er trug einen altmodischen Tweed-Anzug und darunter eine weinrote Weste über einem weißen Hemd. Seine Gesichtszüge waren nicht schmerzverzerrt, sondern wirkten auf seltsame Art und Weise friedlich. Nichts hätte auf einen Mord hingedeutet, befände sich da auf Höhe seines Herzens nicht ein faustgroßer, pechschwarzer Fleck.
»Professor Lewis Daring, 83 Jahre alt, ehemaliger Oxford-Professor. Von vorne erstochen. Die Klinge ging durch die Brust, mitten durch sein Herz und hinten wieder raus. Jane…« Gregson drehte sich zu der Polizistin um. Jetzt erst entdeckte er Tom, der wie gebannt vor der Leiche stand. Veyron hatte sich inzwischen gebückt und untersuchte den Leichnam von allen Seiten. Gregson schüttelte verärgert den Kopf.
»Veyron, das geht zu weit! Sie können keine Kinder an einen Tatort mitnehmen! Warum besorgen Sie ihm keinen Ferienjob? Was macht er hier überhaupt?« schimpfte er. Tom biss sich auf die Lippe. Er wollte sich am liebsten sofort irgendwo verstecken.
»Er hat einen Ferienjob und zwar bei mir. Tom ist mein Assistent und assistiert mir gerade«, antwortete Veyron im beiläufigen Tonfall, was Gregson jedoch nicht zufrieden stellte.
»Bei Ihnen? Sie haben gar keinen echten Beruf, Sie werden nicht einmal bezahlt!« konterte er zornig. Veyron schenkte ihm einen genervten Blick.
»Ich bin finanziell unabhängig, für Tom ist gesorgt, das wissen Sie genau. Was soll jetzt diese Zeitverschwendung? Hier wurde ein Mord begangen. Darauf sollten wir uns konzentrieren!«
Gregson atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die gerunzelte Stirn.
»Tom ist aber nicht finanziell unabhängig! Irgendwann wird er allein Geld verdienen und seinen Mann stehen müssen. Wie soll ihm das gelingen, ohne eine Vorstellung davon, wie es im echten Leben läuft? Für einen Vierzehnjährigen ist das, was Sie hier machen keine Alternative. Constable Willkins, bringen Sie den Jungen raus. Er hat hier nichts verloren!«
Jane nahm Tom an der Schulter. Sie redete leise mit ihm, erklärte ihm, dass Gregson recht hatte und es klüger wäre, draußen zu warten. Es war überhaupt ein Fehler gewesen, hierher zu kommen.
Veyron riss das Hemd des Professors auf und stieß einen jauchzenden Schrei der Begeisterung aus. Jane und Tom hielten inne und auch Gregson schenkte ihm wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
»Sehen Sie nur! Kein Blut! Die Stichwunde ist bei Ein- und Austrittsstelle kauterisiert. Man riecht es, verbranntes Fleisch! Mit was immer der arme Mann durchbohrt wurde, es muss glühend heiß gewesen sein. Zeitpunkt des Todes dürfte zwischen ein und zwei Uhr morgens liegen, ausgehend vom momentanen Stadium der Totenstarre.«
Gregson bestätigte das. Der Gerichtsmediziner war zu demselben Schluss gelangt. Veyron tastete Darings Leiche von oben bis unten ab, fasste ihm in die Hosen- und Westentaschen. Er untersuchte die Taschenuhr des Professors, danach die Brille, die Daring vom Gesicht gerutscht war.
»Der Professor war in körperlich bester Verfassung, er hatte keine zittrigen Hände und besaß für sein Alter ein hervorragendes Augenlicht. An der Uhr finden sich keinerlei Kratzer von Fingernägeln, die Brillengläser sind nur hauchdünn. Hinzu
Weitere Kostenlose Bücher