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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Markt und die Modeindustrie würden auch mollige Frauen, die bekanntlich im arabischen Raum als besonders schön gelten, vermarkten. Die puritanische Kultur lehnt jedoch alles als zu sinnlich ab, was üppig, prall vor Lebensfreude, dekadent und erotisch aggressiv aussieht. Prominente Frauen wie Victoria Beckham oder Kate Moss fungieren als Rollenmodelle. Sie üben beim Publikum puritanische Mentalitäten ein: besonders eindrucksvoll, wenn sie ihre Körper schon kurz nach einer Geburt wieder zurechtgehungert haben. Disziplin, wie sie jede viktorianische Gouvernante geliebt hätte. Size-Zero-Größe sieben Wochen nach der Niederkunft, die ohnehin nur ein Reproduktionsvorgang in Unterbrechung der eigentlichen Arbeitsproduktion gewesen ist. Sarah Jessica Parker nahm gleich eine Leihmutter, weil die Drehtermine eine eigene Schwangerschaft nicht zuließen. Das ist die konsequente Hintanstellung jeder emotionalen und sozialen Gemütsregung unter das Erfolgsdiktat rationaler Lebensführung. Es ist ein Triumph des Puritanismus. Die Marktwirtschaft käme auch weiterhin ohne Leihmütter aus.
    Man versteht etwas falsch, wenn man meint, alles sei sexier, weil freie Sexualität geschätzt würde.
    So verlangt die Modeindustrie makellose Körper und Idealmaße. Längst hat die Welt der Mode und der Schönheit die einstige Dekadenz der Pariser Boheme verlassen, die das Geheimnis liebte, die Erotik und den Esprit, und hat sie eingetauscht gegen die Leistungsshows auf den Catwalks, wo asexuelle Models »perfekt sein müssen«, wie Heidi Klum stets betont und ihnen predigt, dass sie »ganz hart« in der Welt des Glamours arbeiten müssen. Man versteht die Pop- und Modewelt falsch, wenn man meint, dass dort Sex eingesetzt wird, weil freie Sexualität geschätzt würde. Die Frauen haben verglichen mit den Zeiten vor hundert Jahren sicherlich aufgerüstet: Es ist mehr nackte Haut und Sexappeal zu sehen als damals, was den Eindruck von mehr Freiheit erzeugen könnte. Ich bezweifle aber, dass das etwas über die Bejahung des eigenen Körpers aussagt. Durch nichts erzeugt man besser erotische Unlust als durch die Bedeutungsaufladung der Sexualität. Als die Sexualität durch die Boheme befreit worden war, steckten die puritanischen Optimierer diese schwere Niederlage nicht weg, sondern versuchten sie wieder zu disziplinieren: Der Sex wurde vermessen und standardisiert. Gewisse körperliche Maße und sexuelle Standards gehören nun zur »wissenschaftlichen« Grundausstattung. Wie diese auszusehen haben, ist den Medien zu entnehmen, die über die Attraktivität der Stars wachen wie früher Nonnen über die Jungfräulichkeit ihrer Novizinnen. Auch in der Beziehung muss Sexualität Bedeutungen erfüllen, und das beschwert sie mit zusätzlichem Leistungsdruck. Die Puritaner haben den Sex mit ihrer guten alten Performanceerwartung gebändigt und sind so ihrem Ziel, Freude und Glück im Sex zu verhindern, wieder sehr nahegekommen.
    Der Körperkult, wie ihn Bodybuilder, Topmodels und die Schönheitsindustrie zelebrieren, ist weit davon entfernt, die puritanische Körperfeindlichkeit hinter sich gelassen zu haben. Schlankheitskuren, Fitnessstudios, Sonnenbänke huldigen diesem Schönheitsideal. Schöne Ironie, dass gerade das Ideal der Schlankheit in einer Überflussgesellschaft besonders schwer zu erreichen ist. Man könnte es sich leicht machen und einfach ein paar Kilo mehr zum Ideal erklären. Der westliche Puritanismus will es sich aber nicht leicht machen, also zieht er das Schlankheitsideal noch schärfer: Größe 34 für Frauen, definierte Bauchmuskulatur für Männer. Das Publikum, das etwa in der Berliner U-Bahn täglich zur Arbeit fährt, ist von diesem Ideal zwar weit entfernt, aber das sagt leider nicht, dass es den Leuten egal wäre. Der Diätkult der Frauenzeitschriften, der Siegeszug der Barbiepuppe, die Fettabsaugungsindustrie und die Magersuchtproblematik 33 zeigen, dass dieses Schlankheitsideal gilt. 34 Es ist keine Erfindung der Modeindustrie, wie die alte, kulturblinde linke Kapitalismuskritik meinte. Könnte sie ein Schönheits- oder Modediktat aussprechen, würde sie im Zweifel lieber mehr Stoff verkaufen oder die Modewechsel beschleunigen und neben die Frühjahrs- und Herbstkollektion noch weitere Jahreszeiten hinzuerfinden, um den Warenumschlag zu erhöhen. Die Modeindustrie vollzieht die leitkulturellen Vorgaben des puritanischen Schönheitsideals und ist insofern nur ein Teil des Problems. Das eigentliche Problem sind nicht

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