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Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
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Zeitschriftenregal im Kopf herum, aber erst jetzt fallen mir die pinkfarbenen Flamingos wieder ein, die darin auf dem Rasen stehen, die Küche, die aussieht, als ob ein Tornado hindurchgezogen wäre, und das Gefühl der Frau, die plötzlich feststellt, daß sie sich im falschen Haus befindet. 46
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    Ich stoße, kurz nicht aufgepaßt, mit dem stumpfen Vordersteven meines Einkaufswagens an die zu einem Turm gestapelten Einkaufskörbe an der Kasse. Ich manövriere zurück und komme mir vor, als steuerte ich ein Boot auf meine Lieblingskassiererin zu, die Kassenloreley, die im Wind über Wellen und Strom auf ihrem Terminalfelsen sitzt. Aufeinmal höre ich einen dumpfen Aufprall, ein Klirren und einen Schrei, schaue mich um und sehe, daß jemandem aus der Nebenschlange ein Glas, es müssen Kirschen sein, auf den Boden gefallen ist. Der Deckel rollt und senkt sich dann, immer schneller kreisend, langsam auf den Steinfußboden, dabei ertönt dieses immer höher werdende, sirrende Geräusch, das auch Münzen erzeugen, wenn sie sich aus einer eben noch geradlinigen Rollbewegung auf die Seite legen. L., fällt mir ein, hat einmal eine Schnapsflasche vom Band einer Supermarktkasse gestoßen, weil sie sich von einem Mann hinter ihr belästigt fühlte. Um seine Einkäufe – eine Flasche Korn, einen Karton Kümmerling und einen kleinen Eimer Kartoffelsalat – ablegen zu können, hatte er ihre Einkäufe mit einer ihrer Meinung nach viel zu groben Handbewegung zur Seite geschoben. Der habe ihr quasi unter den Rock gegriffen, erklärte sie mir später, außerdem habe er eine fürchterliche Fahne gehabt und nach Schweiß gestunken – da hatte sie jedoch längst eingesehen, daß ihre Reaktion ein wenig überzogen gewesen war. Die Flasche zerbrach natürlich, und der Schnaps lief aus, so wie der Saft der Kirschen, der jetzt als rote Lache auf dem Boden steht. Eine Supermarktangestellte, nicht die, die vorhin die Sahne aufgewischt hat, ist mit Kehrblech und Handfeger erschienen und schon dabei, Scherben und Deckel und Kirschen aufzukehren, die Kirschen sehen gar nicht wie die auf dem Milchreis meiner Großmutter aus, sondern mehr wie ausgespuckte Eingeweide. Ein kleiner Spritzer Kirschsaft ist in der Nähe meines linken, ungeputzten Schuhs gelandet, das könnte Blut sein, denke ich, aber ich blute ja gar nicht, hier ist nicht geschossen worden, es gab keinen Überfall und keine Geiselnahme, nichts ist passiert, und trotzdem ist mir, als müßte ich gleich heulen. Liegt es an der Bewegungder Frau, die sich bückt und die Kirschen aufwischt? Habe ich Mitleid mit den Kirschen, mit der ganzen Welt oder doch nur mit mir selbst? Ich kenne das schon. Ohne, daß ich wüßte, warum, könnte ich manchmal losheulen, kann das dann zum Glück aber fast immer unterdrücken.
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    Einmal beim Warten hier an einer der Kassen sah ich, das war wohl ein Tagtraum, in der Schlange neben mir einen Wolf. Aufrecht wie ein Tanzbär, die Henkel eines roten Plastikeinkaufskorbs über eine Pfote geschoben, stand er da. Wie ich wartete er an einer Kasse, was mich weniger wunderte als die Tatsache, daß er so lange und so ruhig auf den Hinterläufen stehen konnte. Erst nach einiger Zeit bemerkte ich, daß er ein Kopftuch trug. Schau an, dachte ich, auch unter den Wölfen geht Frau Wölfin einkaufen, so übertragen sich die Geschlechterklischees. Sie legte eine ihrer haarigen Pfoten auf das Laufband des Kassenterminals und nahm eine Tiefkühlpizza aus dem Korb, indem sie mit ihren gelben Zähnen in die Verpackung biß, dabei verrutschte ihr Kopftuch, unter dem Stoff zeigte sich blondes Haar. Niemand der anderen, apathisch an den Kassen anstehenden Kunden schien sich an ihr zu stören oder sie überhaupt zu sehen, keinen interessierte es, als sie beim Ablegen des Kartons auf das Laufband sabberte. Auch die Kassiererin, es war eine der älteren, regte sich nicht darüber auf, sondern holte einen Lappen unter der Geldschublade ihrer Kasse hervor und wischte das schwarze Laufband sauber. Die Wölfin bezahlte mit Karte, wie oder wo sollte sie das Wechselgeld auch einstecken.
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    Meine Lieblingskassiererin hat inzwischen angefangen, die Einkäufe meiner Vorderfrau zu scannen. Sie muß keine endlosen Zahlenfolgen mehr eintippen oder gar, was mich als Kind so beeindruckt hat, alle Preise auswendig wissen, es gibt keine Registrierkassen 47 mehr. Kassiererinnen sitzen heute an Computerterminals mit Lesegeräten, die den Barcode, der auf allen Verpackungen abgedruckt ist,

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