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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Mob. Das Gesicht nah an der Scheibe, um den Straßenverlauf zu erraten,
ging Michael vom Gas, sobald er eine Wegeinfahrt entdeckt hatte, in der er den
Volvo endlich zum Stehen bringen konnte.
    Er war noch nicht ganz eingebogen, da brüllte ein Motor hinter ihm
auf, ein schwarzer Geländewagen schoss rauschend vorbei, und eine Wasserwand
wurde gegen die Fahrerseite des Volvos geschleudert.
    Arschloch, dachte Michael, fahr heim nach Neanderthal. Oder an den
nächsten Baum. Meinetwegen auch an den übernächsten.
    ~
    THOMAS sah fast nichts, aber
was sollte es da auch groß zu sehen geben. Senkrechtes Wasser und eine
waagerechte Straße? Arschloch, dachte auch er, als der silberne Volvo vor ihm
auftauchte und immer noch langsamer wurde, was Thomas
zu einem bei diesem Wetter riskanten Schlenker nötigte. Zum Glück steckte der
Cayenne das weg, ohne auszubrechen und in den Wald zu krachen.
    ~
    BERND wurde durchgeschüttelt.
Dieser Weg war nichts für einen Mercedes und erst recht nicht bei diesem
Wetter. »In fünfhundert Metern rechts abbiegen«, sagte die irgendwie toupiert
klingende Stimme seines Navis, und er antwortete ihr wie immer höflich: »Mach
ich, Gundi. Danke.« Dass er seine Navi-Stimme Gundi nannte, wusste niemand, er
sprach nur mit ihr, wenn er allein unterwegs war.
    Diesmal hatte sie seine Höflichkeit strapaziert, hatte ihn auf
diesen schmalen Waldweg gelotst, wo er befürchtete, in irgendeiner Kiesgrube zu
landen, deshalb fuhr er langsamer, als es der dichte Regen ohnehin schon
erzwang, um einen eventuellen Abbruch der Straße rechtzeitig zu erkennen.
    Â»Rechts abbiegen«, sagte Gundi jetzt wieder, und daran erkannte
Bernd, dass er sich kurz vor der Abzweigung befinden musste. Dieser Regen war
eine Sintflut. Man sah höchstens vier, fünf Meter weit und nur schemenhaft. Den
Scheibenwischern gelang es kaum, diese Wassermassen wegzustemmen.
    Bernd wurde noch langsamer, denn jetzt stand da ein silberner Wagen
quer auf dem Weg und blockierte ihn. Er hupte zweimal kurz und hoffte, der
Wagen stünde nicht ohne Fahrer da, sonst könnte er hier schwarz werden oder
umdrehen und Gundi irgendwo, zurück in der Zivilisation, wieder neu rechnen
lassen.
    ~
    MICHAEL erschrak. Arschloch
von hinten, Arschloch von rechts, und das alles unter Wasser, dachte er und
startete den Motor, um den Förster oder was das war, von weiterem Gehupe und
Geblinke abzuhalten. Er bog in die Straße ein – inzwischen lag die Sicht wieder
bei etwa sechs Metern –, als er gerade auf dreißig Stundenkilometer
beschleunigt hatte, fegte der Förster schon zischend an ihm vorbei und
verschwand in der großen, wild gewordenen Waschanlage vor ihm.
    Nicht die Laune verderben lassen, nahm er sich vor, obwohl es da
eigentlich nichts mehr zu verderben gab. Dieses Wetter war, in der Luft wie am
Boden, eine Zumutung, das Auto war ihm fremd, und er fuhr zur Beerdigung seiner
alten, verehrten Lehrerin. Trotzdem sang er laut und noch erstaunlich
intonationsfest: We all live in a yellow submarine, yellow
submarine, yellow submarine .
    Der Regen ließ nach, das Gefuchtel des Scheibenwischers verlangsamte
sich automatisch, und die Stimme des Navis unterbrach seinen Gesang: »Dem
Straßenverlauf folgen.« Er beschleunigte und fühlte sich entkommen, nach
wenigen hundert Metern fielen die letzten Tropfen und öffnete sich der Blick in
eine weite, sattgrüne Hügellandschaft mit Zwiebeltürmen, Schafherden, einer
Hochspannungsleitung, die sich von Mast zu Mast schwang und hier und da von
einer Gruppe pausierender Vögel besetzt war.
    Als ihn ein Taxi überholte, spürte Michael, dass er sich bei der
Unterwasserfahrt verkrampft hatte, und massierte sich mit der rechten Hand
notdürftig den Nacken, drehte den Kopf hin und her, legte ihn schief,
überdehnte den Hals nach vorne und hinten, bis der Atlas knirschte, und schuf
sich so ein wenig Erleichterung. Noch acht Komma vier Kilometer bis zum Ziel
zeigte der Bildschirm des Navis.
    ~
    WAGNER gab den Versuch auf,
seinen Artikel zu Ende zu lesen. Der Taxifahrer war Gott sei Dank schweigsam.
Nicht einmal der Starkregen vorhin hatte ihn aus seiner stoischen
Geradeausorientierung gebracht, er war nur vom Gas gegangen, hatte eine Art
sarkastisches Grunzen verlauten lassen, vielleicht war es auch ein Lachen
gewesen, ein halbwegs missbilligendes Geräusch jedenfalls – dann hatte er sein
Taxi in die Nässe

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