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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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von den falschen.
    ~
    Als die drei Wagen vom Parkplatz des Friedhofs fuhren und
eine Kolonne bildeten, hatte sich das Gefühl zusammenzugehören wieder
verflüchtigt. Jetzt waren nur noch vier Männer Mitte vierzig in derselben Richtung
unterwegs, die jeder für sich das Altwerden von sich wiesen: der eine, indem
er, um seine Stirnglatze zu kompensieren, das ergrauende Haar bis auf den
Hemdkragen wachsen ließ, der andere, indem er sich beim Squash quälte, um das
Äußere eines asketischen Topmanagers mit ultrakurzen Haaren und elastischem
Gang zu kultivieren, der Dritte, indem er sich so gehen ließ wie eh und je,
ohne wahrhaben zu wollen, dass Faulheit, gutes Essen und viel Alkohol ihre
Spuren hinterließen, und der Vierte mit einer Art gepflegter Neutralität, die
ihn fast unsichtbar machte.
    Zu dieser Neutralität passte auch der Volvo, den Michael steuerte.
Natürlich hatte er ihn nicht ausgesucht, er war ihm einfach zugeteilt worden,
und ihm war egal, was, er fuhr vom Münchner Flughafen hierher und wieder
zurück. Nicht egal aber war ihm der Anzug, den er trug: Er kleidete sich
zurückhaltend, aber gut, was ihm gelegentlich interessierte Blicke nicht mehr
ganz junger Frauen einbrachte, die er allerdings nicht als Lob oder gar Avancen
verbuchte, sondern als schlichten Existenzbeweis.
    ~
    WAGNER hatte sich immerhin
rasiert. Mehr Aufwand schien ihm nicht angebracht. Zu seinen langen Haaren
passten das angejahrte und nicht sehr saubere dunkelbraune Cordjackett, die
verblichenen schwarzen Jeans, die Turnschuhe und das blau-weiß karierte Hemd,
das er ohne Krawatte trug. Er hätte das Gefühl gehabt, seine eigene
Persönlichkeit, die er immer noch mit Hingabe studierte, erklärte und wichtig
nahm, zu verbiegen, wenn er Emmi zuliebe im Anzug gekommen wäre. Im eigenen
Kleiderschrank hätte er keinen gefunden, sein Geiz, den er für ökologisches
Bewusstsein hielt, hätte ihm verboten, einen zu kaufen, und in seinem
Bekanntenkreis hätte er keinen zum Ausleihen aufgetrieben, weil man dort
ebenfalls keine Anzüge trug. Anzüge waren so etwas wie Mercedesse: Ausdruck
falschen Bewusstseins.
    ~
    BERND hatte sich einen Anzug
gekauft. Seit Jahren war dies die erste Beerdigung, an der er teilnahm, und
sein Gefühl für das, was Emmi erfreuen würde, ließ keine andere Möglichkeit zu.
Er hatte im Schrank einen blauen und einen grauen für seltene berufliche Anlässe,
ein schwarzer hatte ihm noch gefehlt. Die knapp vierhundert Euro, die er im
Outletcenter dafür hatte hinlegen müssen, reuten ihn zwar ein bisschen, aber es
musste eben sein.
    ~
    THOMAS hatte nur in die Kammer
gehen müssen, die ihm als Kleiderschrank diente, sich einen der drei schwarzen
Anzüge von der Stange nehmen, ein dunkelgraues Trussardi-Hemd, eine rohseidene
Krawatte in Schwarz- Grau- und Sandtönen von Missoni dazu, und fertig. Alles,
was hier lag und hing, war sichtbar teuer und für alle Eventualitäten vom
offiziellen Empfang bis zur lässigen Gartenparty sortiert. Sich anpassen und
trotzdem auffallen war Thomas’ Überschrift für seinen Kleidungsstil – ebenso
wie Wagner betrachtete er alles, was er an und um sich hatte, als Zeichen.
    ~
    MICHAEL kannte die Strecke zu
Emmis Haus und fuhr jetzt nicht mehr wie ein alter Mann. Aber er hatte das
Gefühl, am falschen Ort zu sein. Er hätte nicht herkommen sollen. Oder
vielleicht ein andermal, nicht heute, nicht zur Beerdigung.
    Weder auf dem Weg zwischen Kapelle und Grab noch auf dem Parkplatz
hatte einer der vier gefragt, was die anderen machten, wie es ihnen ging, wie
und wo sie lebten, ob sie noch die Berufe ausübten, von denen sie zwanzig Jahre
zuvor beim Klassentreffen erzählt hatten, ob sie noch mit ihren damaligen
Frauen und Familien zusammen waren – keiner hatte sich eine solche
Zutraulichkeit erlaubt, denn es war klar, dass sie weit voneinander entfernt in
verschiedenen Welten lebten und die Gefahr bestand, dass sie einander nichts
oder nur Unfreundliches zu sagen hätten, wenn einer seine Vorsicht aufgäbe und
sich zu nah heranwagte.
    Eine Art Zwischenschritt machte nun Wagner, als Michael den Wagen in
der Nähe des Rathauses abstellte, weil in dem engen Sträßchen vor Emmis Haus
kein Parkplatz mehr zu finden war. Er fragte: »Hast du sie mal gesehen in der
letzten Zeit?«
    Â»Emmi? Nein, seit damals, als wir sie im Krankenhaus besucht haben,
nicht mehr. Ich

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