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Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Titel: Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: János Kertész
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Wäldern bewachsenen Hügel auch jetzt, im
Hochsommer, üppig grün. Überall, wo wir laufen, plätschert es aus den zahllosen
Quellen und Rinnsalen, die sich zu größeren Bächen vereinigen.
    Die Wälder sind meistens künstlich
angelegt, bestehend aus den umstrittenen Eukalyptusbäumen, die bekanntlich
keine andere Pflanze in ihrer Nähe dulden und so die einheimische Vegetation
allmählich verdrängen. Diese Bäume wurden teilweise noch im vorigen Jahrhundert
gesetzt. Ich wußte nicht, daß sie so groß werden können: Manche der Stämme sind
über einem Meter dick und hoch wie der Mast eines dreimastigen Segelschiffes.
    Nach drei Stunden erreichen wir
Ribadiso, wo eine uralte steinerne Bogenbrücke über den Fluß Iso führt.
Unmittelbar hinter der Brücke steht am Flußufer eine Pilgerherberge, die nach
ihrer Lage, Tradition und Einrichtung zu den besten Herbergen des gesamten
spanischen Pilgerweges gehört. Die alte Unterkunft wurde im 15. Jahrhundert von
den Antoniermönchen gegründet und vor einigen Jahren mit großem Aufwand für die
heutigen Ansprüche hergerichtet.
    Als wir ankommen, sind nur einige
wenige Pilger zu sehen, die auf der Uferwiese unter schattigen Bäumen ihre
Mittagsruhe genießen. Eigentlich wollen wir weiter, aber das Bild ist so
friedlich und verlockend, daß auch wir uns zu den Ruhenden gesellen. Es ist
eine Freude, die schweren Schuhe auszuziehen und mit den Zehen einige
Klavierübungen zu spielen.
    Ohne es zu wollen, schlafen wir beide
ein. Als wir aufwachen, ist die Sonne schon ziemlich weit auf ihrem Weg nach
Westen vorangeschritten. Wir schauen uns mit schlaftrunkenen Augen an und
sofort sind wir uns einig: Heute wollen wir keinen Schritt weiterlaufen.
    Ich wasche meine Wäsche und hänge sie
zum trocknen auf in die Sonne. Inzwischen sind viele andere Pilger eingetroffen
und als die Herberge endlich aufgemacht wird, ist der Andrang wieder enorm. Eine
Frau trägt uns in eine Liste ein. Als ich an der Reihe bin, fragt sie mich, ob
ich mit Auto unterwegs bin. Ich zeige meinen Pilgerbrief, aber auch der scheint
sie nicht zu überzeugen. Ich darf mir trotzdem ein Bett suchen.
    Hinter der Herberge steht ein
belgischer Kleinbus, dem jugendliche Pilger entsteigen. Auch sie begehren
Einlaß und mich kränkt, daß nur ich, sie aber nicht danach gefragt werden, ob
sie mit Auto gekommen seien.
     
     

Sonntag, am 20. Juli
Von Ribadiso nach Arca
    In Arzúa nehmen wir unser Frühstück ein. In der Bar hängt ein Plakat, das ein Rockkonzert
ankündigt, das anläßlich der Jakobsfeier am 25. Juli, also am nächsten Freitag,
in Santiago stattfindet. Das Bild zeigt eine mehr nackte als bekleidete
Sängerin in einem knappen Fummel aus Leopardenfell. Der Konzert findet neben
der Kathedrale unter dem Titel „SANTI-ROCK“ statt.
    Ob ich doch noch lieber umdrehen und
nach Deutschland zurücklaufen soll?
    Der Weg verändert sich seit Tagen nicht
mehr wesentlich. Meistens folgt er der alten historischen Straße durch die
zahlreichen kleinen Dörfer, die sich in Kilometerabstand folgen und voneinander
kaum unterscheiden. Meistens ist es ein schattiger Waldweg, dem wir folgen, nur
in der Nähe der Siedlungen lichtet sich der Eukalyptuswald, um einigen Wiesen
und Äckern Platz zu lassen. Auf der parallel verlaufenden Autoroute nach
Santiago de Compostela, die wir oft kreuzen, macht sich der nahe Feiertag durch
größeres Verkehrsaufkommen bemerkbar.
    Der Jakobstag ist in Spanien
Nationalfeiertag. Viele der Spanier reisen schon Tage vorher an, um die
mehrtägigen Feierlichkeiten dort mitzuerleben.
    Wir sind nur noch zwanzig bis dreißig
Kilometer von Santiago entfernt. Was ich mir nicht vorstellen konnte: Die Anzahl
der Pilger nimmt weiter zu. Einige der älteren Pilger haben sich offensichtlich
überfordert, wie manche Gedenksteine am Wegrand anzeigen:
     
    „ Guillermo Watt, 69, 25. Aug. 1993“
    „Mariano
S.-C. Carro 24.9.1993“
     
    1993, das war doch das berühmte Heilige
Jahr.
    In Santa Irene machen wir vor der noch
geschlossenen Herberge eine kurze Pause. Werner ist erschöpft, dies ist sein
dritter Wandertag, und der dritte Tag ist immer kritisch. Er würde am liebsten
hier schlafen, aber ich dränge zum Weiterlaufen: Irgendwann möchte ich doch
noch in Santiago ankommen.
    Nach einer Stunde machen wir dann doch
Schluß: Wir sind in Arca, wo eine riesige Herberge mit guter Einrichtung auf
uns wartet. Schon vor der Öffnung wird die Einrichtung von einem bunten Volk
aus aller Herren Ländern

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