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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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ihr das Top mitgebracht, das ich von Strauss' Geld gekauft hatte, aber sie wollte es nicht haben. Wir redeten über alte Zeiten wie zwei ehemalige Schulfreunde, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen haben, die sich auseinanderentwickelt haben und die sich eigentlich längst nichts mehr zu sagen haben.
    Als ich versuchte, Paulas Hand zu berühren, da zog sie sie weg. Als ich mit ihr über das Geschehene reden wollte, da antwortete sie nicht, fing einfach ein anderes Thema an, fing sogar an, über das verdammte Wetter zu reden. Paula wollte nicht einmal zum Abschied von mir umarmt werden. Sie schob mich weg und gab mir die Hand. Sie behandelte mich wie eine entfernte Bekannte, auf deren Bekanntschaft sie ebenso gut verzichten könnte.
    Es folgten zwei weitere Treffen, beide von mir initiiert und beide von oben bis unten beschissen. Wir saßen uns gegenüber wie zwei Fremde, immer wenn ich einen Schritt auf Paula zu machte, immer wenn ich die Distanz zwischen uns verringern wollte, dann trat sie zwei Schritte zurück. Ich glaube, Paula hat während unserer drei Treffen nicht ein einziges Mal gelacht … oder auch nur gelächelt.
    Seit rund vier Monaten habe ich meine geliebte Paula nun nicht mehr gesehen, sie geht nicht ans Telefon, wenn ich sie anrufe. Es ist so verdammt schade, wir hatten noch so viel vor.
    Apropos Telefon: Ich habe mir meines nicht zurückgeholt, es müsste noch im vierten Stock des Herbsthauses liegen, mit leerem Akku, das Display nach unten. Ich habe bei meinem Anbieter angerufen, die Karte sperren lassen und mir ein neues Gerät gekauft. Kurz hatte ich ja überlegt, meinen Bruder zu bitten, das Telefon zu holen … aber irgendwie hatte ich Angst, ihn in die Wohnung zu schicken.
    Einmal, ein einziges Mal nur, war ich selbst kurz davor, das Ding aus der leeren Wohnung zu holen … ich war nämlich doch noch einmal beim Herbsthaus, zwei Monate ist das jetzt her. Ich parkte neben dem graubraunen Brandfleck – die verkohlten Reste des Affenkostüms hat irgendjemand weggeräumt –, stieg über das niedrige Mäuerchen, das vor Jahren einmal einen kleinen Biergarten einschloss, und spähte durch das schmutzige Fenster in die Küche.
    Nichts, keine Schlafsäcke und auch keine Wäsche in der Spüle, sogar der kleine Fernseher, den sich Kerstin und Tobias aus dem Keller geholt hatten, war weg. Ich habe keine Ahnung, wo die beiden jetzt sind. Vielleicht haben sie es ja doch bis nach Kanada geschafft, vielleicht sitzen sie ja vor ihrer Waldhütte und braten riesengroße, selbst gefangenen Lachse. Ich wünsche es ihnen, weiß aber, dass es eigentlich nicht sein kann.
    Als ich vom Parkplatz fuhr – ehrlich gesagt vermied ich es, zum vierten Stock hoch zu schauen. Ich hatte Angst, etwas oder jemanden am Fenster stehen zu sehen – da begegnete ich dem kleinen Wagen des Pflegedienstes. Frau Diehl wohnt also noch immer in diesem Haus, mittlerweile ganz alleine. Ich frage mich, ob sie mittlerweile wieder ihr Schlafzimmer benutzt, ob sie mittlerweile in Ruhe gelassen wird.
    Strauss, der Mann, der mich mit einem miesen Trick in das Herbsthaus brachte, hielt erstaunlicherweise noch fünf Wochen durch. Ich telefonierte einige Male mit seiner Tochter. Als ich sie darauf ansprach, wie gefasst sie doch wirke, da antwortete sie mir: „Ach, wir hatten kein so inniges Verhältnis. Mein Vater hat sein Leben lang so viel gearbeitet, ich hatte eigentlich kaum etwas von ihm. Wenn er mit einem Projekt fertig war, dann hat er sich aufs nächste gestürzt.“
    Wenige Tage nach diesem Telefonat war Strauss tot. Seine Tochter fragte mich, ob ich zur Beerdigung kommen wolle. Ich ging hin, es regnete sehr stark an diesem Tag und es waren viele gutgekleidete, akademisch aussehende Leute da.
    Strauss lag im offenen Sarg in der Kapelle und einen Moment überlegte ich, zu ihm zu gehen, ihm – Hallo Herr Strauss! – einen letzten Besuch abzustatten. Dann ließ ich es bleiben, schon bei meinem letzten Besuch sah er ja eigentlich nicht mehr aus wie er selbst, eher wie ein mit dünner Haut überzogenes, aus irgendwelchen Gründen zum Leben erwachtes Gerippe. Vielleicht ging ich auch nicht zu Strauss hin, weil ich – neben meiner Wut auf ihn – ab und zu so etwas wie schlechtes Gewissen empfinde. Manchmal denke ich, ich hätte ernsthafter nachforschen können, mehr Zeit in der Wohnung dieser verunstalteten Wesens verbringen können.
    Wie dem auch sei, ich wünsche Herrn Dr. Dr. Strauss (wie viele Doktortitel waren es denn jetzt? Ich

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