Villa Oma
bestreiten können.
„Wir malen alle was und machen eine Ausstellung“, schlug Brigitte vor.
„Wir machen einen Zoo und zeigen gegen Eintrittsgeld unsere Tiere“, rief Jan. Aber Oma schüttelte zu allem den Kopf.
„Ihr seid keine so großen Künstler, daß ihr damit die Bauern zu uns locken könntet, und unsere Tiere sollen ihre Ruhe haben.“
Jetzt hatte Frau Hubermeier einen Einfall: „Wie war’s mit einem Museum?“
Das war die erste Idee, die Oma zu gefallen schien, obgleich die Kinder „igittigitt, bloß nicht“ riefen, denn sie dachten an die langweiligen Klassenausflüge, die sie in das Museum der Kleinstadt machten, wo verstaubte, ausgestopfte Tiere und alte Waffen zu besichtigen waren. Nur Peter war dem Gedanken nicht abgeneigt.
„Ich hab was für ein Museum“, rief er und holte aus seinem Zimmer ein Amselnest, das er im Herbst aus der Gabelung eines alten Jasminbusches gelöst hatte, den ein Bauer ausgerissen hatte. Jan, Brigitte und Rolf brachen in ein lautes Lachen aus.
„Ha, das ist vielleicht das Richtige für ein Museum — ein Vogelnest, das jeder Mensch immerzu draußen sehen kann! Was ist denn da schon dran?“
Aber Oma nahm Peter das Nest aus der Hand und betrachtete es nachdenklich. „Wie wird denn ein Vogelnest gebaut?“ fragte sie Jan.
„Das, na das, weiß ich nicht“, stotterte der verlegen, „zeig mal her.“
Oma reichte es ihm hinüber. „Du hast es dir also noch nie sehr genau angeguckt — und so geht es fast allen anderen Menschen auch. Dabei lohnt’s sich, nicht wahr?“
Sie betrachteten die sorgsam verflochtenen Zweige und Gräser. Wie schön das zierliche Rund gelungen war, leicht und doch fest, am Grunde mit Heu und Flaumfedern weich gepolstert.
„Ein richtiges Wunder“, staunte Brigitte.
„Ja“, sagte Oma, „und jetzt weiß ich auch, was wir machen, um Geld zu verdienen. Wir sammeln Wunder und zeigen sie im Museum.“
In der nächsten Zeit waren alle Hausbewohner sehr beschäftigt. Sie waren erstaunt, daß sie, seitdem sie darauf achteten, auf Schritt und Tritt Wunder fanden. Manchmal gab es auch heftige Diskussionen darüber, was als ein Wunder anzusehen war. Zum Beispiel konnten sie sich zuerst nicht einig werden, ob eine Muschel ein Wunder war oder nicht, entschlossen sich aber schließlich doch dazu, während der Antrag Rolfs, Frau Hubermeiers Kuchen als Wunder zu betrachten, sogar von Frau Hubermeier selbst abgelehnt wurde. Alles, was sie an Wundern fanden, wurde erst einmal herbeigetragen: Vogelnester und Muscheln, schöne Steine und Federn. Eins entdeckte Jan, als er seinen Freund, den Sohn vom Bürgermeister, besuchte. Auf dem marmornen Fensterbrett fand er den bräunlichen Abdruck einer Schnecke. Er steckte die ganze Bürgermeisterfamilie mit seiner Finderfreude an.
„Ja“, sagte der Bürgermeister, „das ist was ganz Besonderes, ein Ammonshorn.“
Sie schauten gleich im Lexikon nach und fanden, daß es sich um eine große Schnecke handelte, die vor Millionen von Jahren gelebt hatte und jetzt im Marmor versteinert war.
„Und ich dachte immer, es wäre ein Fleck und habe versucht, ihn wegzuputzen“, meinte die Bürgermeisterin.
Der Bürgermeister aber, der die Idee von Omas Wundermuseum sehr gut fand, entschloß sich, dem Museum das Ammonshorn zu spenden und ein neues Fensterbrett anzubringen.
Stolz fuhr Jan am nächsten Tag mit dem Eselwagen vor und brachte das schwere Fundstück heim.
Omas altes Konversationslexikon war in der nächsten Zeit das Buch, welches die Kinder ,am häufigsten lasen, und um das sie sich sogar stritten.
„Wo ist der Band A?“ rief Jan, „ich will ,Ammonshorn’ nachlesen.“
„Den brauch ich jetzt“, rief Brigitte, „ich will über das Auge nachschlagen. Ein Auge ist doch bestimmt ein Wunder.“
Aber sie fanden beide nicht den gesuchten Band, bis sie entdeckten, daß Peter sich aus den Bänden A bis G einen Turm gebaut hatte, auf dem er stand, um ein Spinnennetz zu beobachten.
Es dauerte nur ein paar Wochen, bis sie genug wunderbare Dinge gesammelt hatten, um das Museum einzurichten.
„Vollständig wird es wohl nie werden“, sagte Oma, und doch konnten sie nun schon zwei Räume mit den interessantesten Funden füllen. Da war erst einmal Peters Nestersammlung, denn außer dem Amselnest hatte er noch andere Vogelnester herbeigeschafft, unter anderem ein Schwalbennest, bei dem die Vögel Erdklümpchen mit ihrem Speichel zu einer festen Masse verbacken hatten, die ein sicheres Haus für die
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