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Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen

Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen

Titel: Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Kehoe
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Gesicht, bevor er das Badezimmer verließ.
    Er beschloss, sich mit einem blauen T-Shirt, blauen Hosen und blauen Socken zu tarnen, um von seiner Bläue abzulenken.

    So würden die Leute vielleicht denken, dass seine Klamotten einen blauen Schimmer auf sein Gesicht warfen und er deshalb so blau aussah. Doch dann schaute er in den Spiegel an seinem Schrank und der Perückenhäuptling starrte zurück, und ihm wurde klar, dass ihm der längste Tag seines Lebens bevorstand.

2 VINCENT IST FLAU
    Anna saß am Tisch und aß eine Schüssel Cornflakes, als Vincent in die Küche kam.
    »Mama! Mama! Vincent ist blau!«, quäkte die widerlichste aller Sechsjährigen. Vincents Stiefmutter stand mit dem Rücken zu ihm an der Spüle. Die Welt war bestimmt voller wunderbarer warmherziger und liebevoller Stiefmütter, schade nur für Vincent, dass Vibs, seine neue Stiefmutter, nicht zu dieser Spezies gehörte. Vibs war nett zu Vincent, jedenfalls einigermaßen nett, wenn sein Vater in der Nähe war, doch der hatte an diesem Morgen ein Vorstellungsgespräch in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota, was bedeutete, dass Vincent wahrscheinlich die volle Bandbreite ihrer Unausstehlichkeiten geboten bekäme.
    Genau genommen war es schon das zweite Vorstellungsgespräch, das sein Vater beim Kunstmuseum Minneapolis hatte.
    Vincent hatte entsetzliche Angst, dass sein Vater den
Job bekommen könnte. Dann würden sie aus New York wegziehen und er müsste seine Erfindungen zurücklassen.
    An einem normalen Tag hätte er an nichts anderes denken können, doch an diesem besonders düsteren, sozusagen blauschwarzen Montag machte sich Vincent mehr Sorgen darüber, wie Vibs reagieren würde, wenn sie sich umdrehte und den großen Huli-Perücken-Häuptling in ihrer Küche entdeckte.
    Doch sie drehte sich nicht um.
    »Warum ist dir heute Morgen flau, Vincent?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Vincent.
    »Nein, Mami. Ich hab gesagt, Vincent ist blau.«
    »Uns allen ist von Zeit zu Zeit ein wenig flau, Anna. Gib jetzt endlich Ruhe und iss dein Frühstück«, sagte Vibs.
    Gwen kam herein und setzte sich neben Vincent. Der Lärm aus ihren Kopfhörern übertönte das ekelhafte Schmatzen, mit dem Anna ihre Cornflakes mampfte.
    »VANCE, GIBST DU MIR BITTE MAL DIE MILCH RÜBER?«, rief Gwen. Vincent gab die Milch rüber. Gwen merkte nicht, dass er blau war.
    Vielleicht wird es ja doch nicht so schlimm, dachte Vincent.
    Doch mitten in diesen Gedanken fuhr ein spitzer Schrei.
    »WAS HAST DU JETZT WIEDER GEMACHT?«, schrie
Vibs. »Hältst du das für witzig? Willst du mir wehtun? IST ES DAS, WAS DU WILLST? MIR WEHTUN? Warum musst du immer so seltsam sein?«
    Vincent spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Doch sosehr er sich auch bemühte, er konnte sie nicht zurückhalten.
    »Geh hoch und wasch dein Gesicht.« Vibs deutete auf das Badezimmer oben an der Treppe.
    »Das –«, krächzte er. »Das hab ich schon versucht.«
    »Ach ja? Dann versuch es noch mal.«
    Vincent stand auf und ging aus der Küche. Auf der Treppe traf er Stella.
    »Na, machst du blau?«
    Vincent beachtete sie nicht, schlich die Treppe hoch und schlug die Tür zu seinem Zimmer hinter sich zu.
    »Was ist denn mit Vincent los?«, fragte Stella ihre Mutter, als sie in die Küche kam.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Vibs seufzend.

3 NEW YORK, NEW YORK
    Seit Vincent denken konnte, war sein Vater, Norton Shadow, stellvertretender Direktor des Metropolitan-Museums, kurz »Met« genannt. Vincent war in New York geboren und seine Eltern hatten ihn praktisch im Met großgezogen. Er liebte das Met. Oder zumindest hatte er es geliebt, bis seine Mutter starb.
    Vincents Mutter war Künstlerin gewesen.
    An den Wochenenden verbrachten sie und Vincent gewöhnlich viele Stunden damit, durch das Met zu wandern und all die wundervollen Gemälde zu betrachten. Hier hatte Vincent auch Zeichnen gelernt.
    Seine Mutter hatte ihm beigebracht, die Werke von Picasso, Dali, Escher und Hopper nachzumalen. Seit Jahren schon war Vincent nie ohne sein schwarzes Notizbuch unterwegs. Er schleppte es überall mit hin, doch inzwischen waren es seine Spielzeugerfindungen, die die Seiten füllten, nicht Kunstwerke.
    Vincent hatte das Met seit dem Tod seiner Mutter
vor über zwei Jahren nicht mehr betreten. Ohne sie war es nicht dasselbe. Und sein Vater war ohne sie auch nicht derselbe.

    Nachdem seine Mutter gestorben war, stürzte sich sein Vater in die Arbeit. Genau wie Vincent. Da sein Vater dauernd

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