Virga 01 - Planet der Sonnen
gelangen.« Er richtete den Blick gezielt über Chaisons Schulter hinweg auf Mahallan. »Und wenn es doch geschieht …« Er schob sich an Chaison vorbei. »Nun, Aubri, was treibst du denn die ganze Zeit?«, fragte er. Sie zuckte die Achseln.
»Ich führe mein Leben weiter, Aston. So gut es eben geht, seitdem ich hier bin.«
»Und? Was bezweckst du mit diesem Besuch hier auf der Station?«
Wieder ging Chaison dazwischen. »Sie ist in meinem Auftrag hier. Wir brauchten einen einheimischen Führer. Ich möchte Sie höflich bitten, uns nicht aufzuhalten.«
Shen hob beflissen beide Hände. »Würde mir im Traum nicht einfallen, mein Alter. Solange Sie wissen, dass Sie sich vor ihr in Acht nehmen sollten. Man kann ihr nicht trauen.«
»Ach wirklich? Ich …« Sie wurden abermals unterbrochen. Venera kehrte zurück. Sie trug etwas in den Händen, hielt es hoch und strahlte Chaison triumphierend an.
»Da ist es!« Das Ding sah aus wie ein bizarrer Ast mit außerordentlich winzigen Blättchen, falls die feinsten Verästelungen tatsächlich Blätter waren. Hier und dort blitzten Edelsteine aus dem Gewirr hervor.
»Ich kann dann heute Abend mit der Übergabe der Gemälde rechnen?«, sagte Thrace gerade. Venera nickte eifrig. »Komm, mein Lieber, wir müssen zurück.« Erst jetzt bemerkte sie Shen. »Hallo.«
»Gnädige Frau.« Shen wandte sich wieder an Mahallan. »Wir werden dich und deine Begleiter auf Herz und Nieren prüfen, bevor wir euch abreisen lassen. Ich hielt es für ein Gebot des Anstands, dir das mitzuteilen.« Als er Chaisons Gesichtsausdruck sah, verneigte er sich lächelnd. »Sie werden nichts davon merken. Aber denk daran«, sagte er zu Mahallan, »wir behalten dich im Auge.« Damit entfernte er sich.
Venera sah ihm nach. »Was für ein unangenehmer Mensch«, sagte sie. Chaison hatte gelernt, diesen taxierenden Blick zu deuten. Etwas hatte ihre paranoiden Instinkte geweckt, sie witterte eine Verschwörung. »Sehen wir zu, dass wir von hier wegkommen«, sagte sie zu ihm und lächelte Thrace abermals zu.
Auf dem Rückweg zum Schiff versuchte Chaison alles, was sie eben gesehen und erlebt hatten, zu ordnen. Aber er war müde, und Veneras Aufregung war einfach ansteckend. Als sie die Krähe erreichten, hatte er Mahallans Erklärungen zu den Kirchen ihres Volkes bereits vergessen, und er brachte auch nicht die Energie auf, sich über den virganischen Heimatschutz oder Shens rätselhafte Warnungen den Kopf zu zerbrechen.
All das war sowieso ohne Belang. Sie hatten die Karte gefunden, nach der sie gesucht hatten.
14
Die Szene erinnerte auf unheimliche Weise an Dentius’ Hinrichtungsappell, nur hockte diesmal Chaison Fanning auf der T-Stange und hielt eine Rede an alle sechs Schiffe, die vorübergehend mit Seilen zu einer losen Sternenformation verbunden worden waren. Die Besatzungen, schwarze Silhouetten, die im Schein der auf Fanning gerichteten Scheinwerfer lange Schatten warfen, saßen oder standen auf den Rümpfen.
Der Admiral schwenkte sein Megafon. »Wir sind fern der Heimat. Wir haben einen kleinen Krieg mit all seinen Ängsten und Nöten überstanden, und ich habe euch den Zweck unserer Reise noch immer nicht verraten.
Nun sollt ihr ihn erfahren.«
Ein Raunen ging durch die Versammelten. Hayden Griffin, der unsichtbar im Dunkeln auf seinem Bike lümmelte, spitzte die Ohren, um zu hören, was die Besatzungsmitglieder redeten. Er wusste, dass Ärger und Respekt sich in der Mannschaft die Waage hielten. Fanning hatte bekanntlich tapfer gegen die Piraten gekämpft, andererseits hatte er Dentius und seine Männer entkommen lassen. Unter den Zuhörern waren Flieger, die für alle Zeit die Narben von Dentius’ Folterungen tragen würden.
Jetzt braucht er eine gute Begründung, dachte Hayden und ahnte, dass dieser Gedanke auch allen anderen durch den Kopf ging.
»Bevor ich unsere Mission ausführlich erläutere«, sagte der Admiral, »werde ich euch eine Geschichte erzählen.« Er hob die Hand; das Gesicht war leicht abgewandt. »Es ist keine Anekdote, um die Gäste auf einer Cocktailparty in Stimmung zu bringen. Ich weiß, ihr seid erschöpft. Aber diese Geschichte ist entscheidend, wenn ihr unseren Auftrag verstehen wollt. Es ist eine Geschichte über Piraten.
Vor zweihundert Jahren war der Winter kein so ruhiger Raum wie heute.« Wenn Fanning an dieser Stelle Gelächter erwartet hatte, so wurde er enttäuscht. »Gewiss, wir sind mit einer modernen Piraten-Armada aneinandergeraten. Aber
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