Virga 01 - Planet der Sonnen
tut mir leid, dass Sie mit hineingezogen wurden, Lady Mahallan«, sagte er, solange sie ihn noch hören konnte. »Der Zwischenfall hat uns alle schwer belastet.«
»Lass gut sein«, sagte Venera munter, nahm seinen Arm und schlenderte hinter Mahallan her. »Sie ist verbittert. Manche Leute genießen das. Es gibt ihnen das Recht, sich kindisch zu benehmen.«
»Sehr philosophisch«, konstatierte er lachend. »Haben dich die … äh … jüngsten Ereignisse völlig unberührt gelassen?«
»Das würde ich so nicht sagen.« Sie blickte zu Boden.
»Dentius hat dich doch nicht angerührt? Du hast gesagt, da wäre nichts gewesen, als wir mit ihm verhandelten, aber du wusstest genau, dass ich ihm beim leisesten Verdacht mein Schwert in den Leib gerammt hätte.«
Sie sah ihm fest in die Augen. »Er hat mich nicht angefasst.«
»Ich wollte gleich nicht, dass du mitfliegst«, sagte er. »Solche Dinge kommen eben vor. Dies ist keine Vergnügungsreise, Venera.«
»Ich hab’s überlebt.«
Am Ende der Gasse trafen sie auf eine Tür, die beruhigend real aussah. Mahallan wartete schon ungeduldig in ihrem Schatten.
»Admiral und Lady Fanning, das ist Maximilian Thrace, der Kurator des Museums«, sagte sie mit plötzlich zuckersüßer Stimme.
Neben ihr schwebte ein Gespenst. Zumindest war das Chaisons Eindruck: Er konnte einfach hindurchsehen. Thrace hatte in vieler Hinsicht Ähnlichkeit mit einem Menschen, aber er war völlig farblos, die Erscheinung war nur in reinem Weiß und verschiedenen Grautönen gehalten. Der Kopf war überdimensional groß, und die Augen waren riesig. »Max ist eine Person nach dem Prinzip des Chinesischen Zimmers aus einer sehr alten und hoch geachteten Spielkirche«, flüsterte Mahallan. Chaison nickte höflich.
Er verneigte sich vor der Vision. Als er sich wieder aufrichtete, sagte Venera: »Wir sind gekommen, um ein Kunstwerk zurückzuholen, das hier schon lange ausgestellt wird. Es heißt …« Sie wandte sich an Chaison und zog auffordernd eine Augenbraue hoch.
»Der Vielfach Gewundene Schicksalsbaum«, ergänzte er lächelnd. »Es bedeutet einer kleinen, aber einflussreichen Gruppe von Künstlern in unserer Heimat Slipstream sehr viel. Aus unseren Unterlagen geht hervor, dass es vor zweihundert Jahren als Leihgabe hierherkam.«
Thraces Missfallensmimik war heillos übertrieben, die Mundwinkel zogen sich so stark nach unten, dass
sich der ganze Kiefer verformte. »Sie wollen alle Darstellungen, Versionen, Modelle, Simulationen und Kopien des Werkes zurückhaben? Das könnte schwierig werden, denn dazu ist ein Viralgesetz erforderlich, und das könnte Monate dauern …«
Mahallan schüttelte bereits den Kopf. »Wir wollen nur das Original.«
Thraces Augen wurden um eine Winzigkeit schmaler. »Das was?«
»Das Kunstwerk selbst«, sagte Venera. »Den Gegenstand, auf dem Ihre … äh … Kopien basieren.«
»Deshalb haben wir uns hier mit Ihnen verabredet«, fügte Mahallan hinzu. »Am Archiv.«
»Sie wollen nur das Original? Nichts sonst?« Thrace schien sich über das Ansinnen köstlich zu amüsieren. »Da hätte doch ein … wie nennt man das noch … ein Brief? … genügt. Dann hätten wir es Ihnen mit der Post zurückgeschickt!« Er drehte sich um und machte eine Handbewegung. In der Wand öffnete sich eine Tür. Chaison zuckte zusammen, aber das hatte offenbar niemand bemerkt.
Als Maximilian Thrace in den dunklen Gang schwebte, der sich hinter der Tür aufgetan hatte, sagte er: »Lagerraum ist bei uns ein teures Gut. Es hätte uns weniger Kosten verursacht, Ihnen das Stück zurückzuschicken, als es so lange hier liegen zu lassen. Auf Wunsch hätten wir sogar eine Eskorte beauftragen können.«
Chaison blieb stehen. Thraces Geist ging weiter; Venera hatte ihm ihren Arm gegeben, eine gewisse Substanz hatte er also wohl doch, obwohl seine winzigen Füßchen hilflos einige Zentimeter über dem Boden
zappelten. Chaison schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. In dem langen, schmalen Korridor gab es außer Aubri Mahallan, die innegehalten hatte und sich nach ihm umdrehte, nichts, was man hätte ansehen können.
»Haben Sie das gewusst?«, fragte er. Sie wirkte verlegen.
»Ich glaube nicht, dass er mit der Eskorte die Wahrheit sagt«, meinte sie und blieb zurück, bis sie neben ihm war. »Ich wusste, dass sie uns das Ding schicken würden, wenn wir es verlangten. Aber dazu hätten wir ein Kurierschiff entsenden und dann abwarten müssen … und die Zeit war knapp. Ich hielt das
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