Virga 01 - Planet der Sonnen
war eine architektonische Katastrophe, bei deren Anblick man Kopfschmerzen bekam. Menschen schwebten ein und aus wie Fliegen, und auch kleinere Punkte schwirrten zu Tausenden umher: Das waren Bücher, die von erschöpften, überforderten Angestellten einzeln oder paarweise mit Netzen an langen Stangen eingefangen werden mussten.
»So«, sagte Hayden verlegen. »Und was hoffen Sie nun hier zu finden?«
Er fasste einen Strang des großen Seiltrichters vor dem Eingang. »Der Admiral möchte, dass ich Nachforschungen zu dem Ziel anstelle, zu dem unsere Karte uns führen soll«, sagte sie ruhig und zog die Füße aus den Bügeln. »Aber eigentlich wollte ich mir nur die Zeit vertreiben.«
»Schön.« Er wollte das Bike wenden. »Wann soll ich Sie wieder abholen?«
»Warten Sie!« Aubri reckte sich und legte ihm die Hand auf den Arm. »Warum kommen Sie nicht mit?
Ich hätte gern Gesellschaft - und Hilfe könnte ich auch gebrauchen.«
Hayden hatte sich unterwegs fest vorgenommen, sie für einige Stunden hier abzusetzen und einen zweiten Versuch zu unternehmen, der Widerstandsbewegung von Aerie eine Nachricht zukommen zu lassen. Die Bewegung musste erfahren, dass Slipstream von der Falkenformation bedroht wurde. Aber was würde sie mit dieser Information anfangen? Hayden hatte im Geist verschiedene Szenarien durchgespielt, wenn er in seiner Koje lag und Slew dem Zimmermann beim Schnarchen zuhörte. Doch zu ermutigenden Ergebnissen war er nicht gekommen. Die Widerstandsbewegung würde die Information wahrscheinlich dazu verwenden, einen Handel mit den Falken abzuschließen; in das tollkühne Unternehmen der Fannings hätte sie sicher kein Vertrauen. Wenn er, Hayden, das Zeug zum Helden hätte, könnte er das Geheimnis stehlen, hinter dem Fanning her war, und ein oder zwei Radargeräte mit nach Hause bringen. Aber was dann? Sollte er sie an die Falken weitergeben? Jedes denkbare Abkommen mit der Formation hätte Aeries Schicksal ein für alle Mal besiegelt.
Aubri hatte Haydens Zögern bemerkt und wandte sich stirnrunzelnd ab. »Warten Sie!« Er zog sich an den Händen durch das Netz des Eingangstrichters hinter ihr her.
Sie schwebten in einen langgestreckten zylinderförmigen Raum. Nach allen Seiten zweigten Eingänge ab, die nach Themen markiert waren. Seile mit Handschlaufen zogen sich kreuz und quer durch den Raum. Laternen mit leise schwirrenden aufziehbaren Propellern
erleuchteten die Wände. So chaotisch die Fassade auch sein mochte, zumindest im Innern schien die Bibliothek bemerkenswert gut organisiert.
Aubri beobachtete ihn von der Seite. »Die Slipstreamer sind Ihre Todfeinde, nicht wahr?« Er nickte.
»Und Sie glaubten die ganze Zeit, Admiral Fanning habe den Angriff auf die Sonne Ihres Volkes befohlen? Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, zusammen mit ihm auf der Krähe eingesperrt zu sein.«
»Es war unerträglich«, gestand er. Er spürte, wie in seinem Innern ein Damm zu brechen drohte. Noch ein mitfühlendes Wort von ihr, und er würde wie ein weinerlicher Teenager seine ganze Lebensgeschichte vor ihr ausbreiten. Verzweifelt suchte er das Thema zu wechseln. »Für Sie war es auch nicht gerade einfach.«
Ein halbes Lächeln. »Sie meinen die Piraten? Das war … schlimm, zugegeben. Aber jetzt ist es doch wohl vorbei?« Das Lächeln bekam einen traurigen Zug. »Man kann froh sein, wenn ein Trauma ein eindeutiges Ende hat. Das ist nämlich nicht immer so.«
»Das weiß ich«, sagte er, »glauben Sie mir.« Er kniff die Augen zusammen. »Sie machen das nicht zum ersten Mal.«
»Was?«
»Der Frage auszuweichen, warum Sie unglücklich sind.«
»Aha.«
Er fasste sie an der Hand, schnappte sich ein Seil und bremste über einem quadratischen Schacht, um dessen Rand die Worte KOMMUNALES BAUWESEN ins
Holz geschnitzt waren. Lange spürte er ihre warmen Finger in den seinen; ihre Blicke trafen sich. Dann zog sie die Hand weg.
Er musste etwas sagen. Was herauskam, war: »Als ich an Bord der Krähe ging, hatte ich vor, Admiral Fanning zu töten, aber ich hatte nie damit gerechnet, die Tat zu überleben. Das meinte ich, als ich sagte, für mich gäbe es keine Zukunft. Doch bei dieser Gelegenheit deuteten Sie an, Ihnen gehe es ähnlich. Wie war das gemeint?«
Aubris ausdrucksvolles Gesicht verzerrte sich. »Das kann ich nicht erklären, jedenfalls nicht so, dass Sie es verstehen würden.«
Er verschränkte die Arme und schwebte vor ihr in der Luft. »Liegt es daran, dass ich ein
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