Virus
innere Medizin. Marissa konnte sich nur darüber wundern, daß er mit einer derartigen Vereinigung wie dem PAC etwas zu tun hatte.
»Es tut mir leid, daß ich Sie zu so später Stunde noch stören muß«, begann sie.
»Ach, das ist nicht so schlimm«, antwortete Dr. Krause. »Ich war gerade am Lesen. Was kann ich denn für Sie tun?«
Marissa beugte sich nach vorn und sah dem Mann scharf ins Gesicht. »Mein Name ist Dr. Marissa Blumenthal.«
Es entstand eine kleine Pause, da Dr. Krause sichtlich darauf wartete, daß sie fortfuhr. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Entweder sagte ihm ihr Name wirklich nichts, oder er war ein sehr guter Schauspieler.
»Ich bin Beamtin des Epidemiologischen Erkennungsdienstes am Seuchenkontrollzentrum«, ergänzte Marissa. Seine Augen verengten sich nur fast unmerklich.
»Das Mädchen sagte mir, Sie kämen in Angelegenheiten des PAC«, sagte Dr. Krause, und die Freundlichkeit seines Tonfalls ließ bereits etwas nach.
»So ist es«, bestätigte Marissa. »Ich muß Sie fragen, ob Ihnen irgendwelche Maßnahmen des Ärztekomitees bekannt sind, die das Seuchenkontrollzentrum angehen.«
Diesmal verkrampfte sich Krauses Kiefer sichtlich. Er holte tief Luft, wollte zu sprechen beginnen, überlegte es sich dann aber anders. Marissa wartete gelassen, als ob sie es kein bißchen eilig hätte.
Schließlich räusperte sich Dr. Krause. »Das PAC versucht lediglich, das amerikanische Gesundheitswesen vor den Wirtschaftskräften zu schützen, die es zu schädigen versuchen. Das war von Anfang an sein Bestreben.«
»Ein edles Ziel«, räumte Marissa ein. »Aber auf welchen Wegen versucht das PAC diese Aufgabe zu erfüllen?«
»Durch die Unterstützung einer verantwortungsbewußten und vernünftigen Gesetzgebung«, antwortete Dr. Krause. Er erhob sich, wohl um sich Marissas bohrenden Blicken zu entziehen. »Das PAC ist darum bemüht, eher konservativen Elementen die Möglichkeiten zu einer gewissen Einflußnahme zu verschaffen. Und dafür ist es höchste Zeit; die ärztliche Wissenschaft hierzulande ist wie ein außer Kontrolle geratener Zug.« Er schritt hinüber zum Kamin, und der Schatten verbarg sein Gesicht.
»Leider aber sieht es so aus, als ob das PAC erheblich mehr tut, als lediglich Gelder im Sinne einer ihm genehmen Gesetzgebung aufzuwenden. Und das eben geht das Seuchenkontrollzentrum etwas an.«
»Ich glaube nicht, daß es noch etwas zu besprechen gibt«, sagte Dr. Krause. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen …«
»Ich glaube, daß das PAC verantwortlich ist für diese Ebola-Ausbrüche«, platzte Marissa nun heraus und sprang dabei auf. »Man muß bei Ihnen die Wahnsinnsidee gehabt haben, daß die Verbreitung einer Epidemie in bestimmten Krankenhäusern Ihren Bestrebungen nützlich sein kann!«
»Aber das ist doch völlig absurd!« meinte Dr. Krause.
»Das dachte ich zunächst auch«, gab Marissa zu. »Aber ich habe Unterlagen darüber, daß Sie und die anderen Vorstandsmitglieder des PAC in Verbindung stehen mit ›Professional Labs‹ in Grayson/Georgia, die kürzlich Spezialausrüstung für den Umgang mit derartigen Viren gekauft haben. Und außerdem habe ich auch noch eine der Injektionspistolen, mit denen die jeweiligen Auslösefälle infiziert wurden!«
»Jetzt aber raus hier!« befahl Dr. Krause.
»Mit Vergnügen«, gab Marissa zurück. »Aber lassen Sie mich Ihnen noch sagen, daß ich vorhabe, sämtliche Vorstandsmitglieder von PAC aufzusuchen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle diesem idiotischen Plan zugestimmt haben. Tatsächlich ist es für mich kaum denkbar, daß ein Arzt wie Sie – und ein Arzt überhaupt – ein derartiges Vorgehen billigt.«
Äußerlich jene Gelassenheit vortäuschend, die sie im Innern durchaus nicht fühlte, ging Marissa dem Ausgang zu. Dr. Krause bewegte sich keinen Schritt vom Kamin weg. »Vielen Dank dafür, daß Sie mich empfangen haben«, sagte Marissa. »Es tut mir leid, daß ich Sie in Aufregung versetzen mußte. Aber ich bin überzeugt davon, daß schließlich eines der Vorstandsmitglieder des PAC, die ich besuchen werde, bereit dazu ist, diesem Schrecken ein Ende zu machen – vielleicht dadurch, daß er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellt. Wer weiß, vielleicht trifft das schon auf Sie zu – ich hoffe es jedenfalls. Gute Nacht, Dr. Krause.«
Marissa zwang sich, langsam den Gang in die Empfangshalle hinunterzugehen. Was nun, wenn sie den Mann falsch eingeschätzt hatte und er ihr nachsetzte?
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