Virus
entlang, warf einen Blick in die Besteckkästen und nahm die Deckel von den Behältnissen für die verschiedenen Salate.
»Möchten Sie auch die Vorratsräume sehen?« fragte Frau Beronson, als sie durch waren.
Marissa aber verneinte, denn sie wollte jetzt damit beginnen, die Erstpatienten zu fragen, was sie jeweils aus der Speisekarte für den betreffenden Tag ausgewählt hatten.
*
Marissa lehnte sich in den Sessel zurück und rieb sich die Augen. Es war elf Uhr abends am zweiten Tag ihres Aufenthalts hier in Phoenix, und sie hatte in der Nacht zuvor nur vier Stunden geschlafen. Man hatte ihr eine der Untersuchungskabinen in der Abteilung für Frauenkrankheiten als Schlafstätte zugewiesen, und jedesmal, wenn jemand vorbeikam, war sie aufgewacht.
Sie hörte, wie hinter ihrem Rücken die Tür aufging. Sie drehte sich um und sah Dubchek, der eine Ausgabe der örtlichen Zeitung in die Höhe streckte. Er wies sie auf die Schlagzeile auf der ersten Seite hin, die lautete: »Seuchenkontrollzentrum vermutet die verborgene Quelle des Ebola-Virus in den USA!« Dubcheks Gesichtsausdruck verriet, daß er wie üblich verärgert war.
»Ich verbot Ihnen doch ausdrücklich, der Presse irgend etwas mitzuteilen!«
»Das habe ich auch nicht!«
Dubchek knallte ihr die Zeitung auf den Schreibtisch. »Hier steht aber ausdrücklich, Frau Dr. Blumenthal hätte gesagt, die Quelle des Ebola-Virus müsse hier in den Vereinigten Staaten liegen, und die Übertragung in Phoenix müsse über Nahrungsmittel oder das Wasser erfolgt sein. Marissa, ich muß Ihnen sagen, daß Sie eine Menge Ärger kriegen werden!«
Marissa nahm die Zeitung und überflog rasch den fraglichen Artikel. Es stimmte zwar, daß ihr Name erwähnt war, aber sozusagen nur »aus zweiter Hand«. Die eigentliche Informationsquelle war ein gewisser Bill Freeman, einer der Ärzte, die ihr bei der Befragung der Patienten geholfen hatten. Sie wies Dubchek darauf hin.
»Es ist völlig unerheblich, ob Sie direkt mit der Presse reden oder mit jemandem, der seinerseits die Presse informiert. Die Auswirkungen sind die gleichen. Das erweckt den Anschein, als ob das Seuchenkontrollzentrum Ihre Meinung teile – und das ist absolut nicht der Fall. Wir haben bisher noch keinen überzeugenden Beweis dafür, daß die Ansteckung über Nahrungsmittel erfolgte, und das letzte, was wir brauchen können, ist der Ausbruch einer Massenhysterie.«
Marissa nagte an ihrer Unterlippe. Es schien so, als ob jedesmal, wenn Dubchek sich mit ihr unterhielt, er ihr etwas vorzuwerfen hatte. Wenn sie es bloß geschafft hätte, den Vorfall damals in dem Hotel in Los Angeles diplomatischer zu behandeln – sicher wäre er dann nicht immer so wütend. Was erwartete er denn eigentlich – mit keinem Menschen ein Wort zu wechseln? Jede Teamarbeit setzte irgendwie den Gedanken- und Meinungsaustausch voraus.
Um Dämpfung ihres Temperaments bemüht, reichte sie Dubchek ein Blatt Papier. »Ich meine, Sie sollten sich das mal ansehen.«
»Was ist das?« fragte er gereizt.
»Es ist das Ergebnis einer zweiten Befragung der gleich anfangs angesteckten Patienten. Jedenfalls derjenigen, dienoch in der Lage waren, zu antworten. Mit Ausnahme von zweien, die sich nicht mehr erinnern konnten, hatten alle Patienten vier Tage vorher in der Kantine Vanillepudding gegessen. Sie werden sich erinnern, daß ich schon in meinem ersten Überblick darauf verwiesen hatte, daß die einzige feststellbare Übereinstimmung im gemeinsamen Mittagessen in der Kantine bestand. Sie werden auch feststellen können, daß einundzwanzig Leute, die am selben Tag in der Kantine aßen, aber eben keinen Vanillepudding, nicht erkrankten.«
»Da haben Sie sich ja viel Mühe gemacht, aber Sie haben eines vergessen – Ebola ist keine Krankheit, die durch Nahrungsmittel übertragen wird.«
»Das weiß ich durchaus«, gab Marissa zu, »aber Sie dürfen doch auch nicht vergessen, daß dieser Ausbruch mit einer Lawine von Fällen einsetzte und dann zu einem Rinnsal wurde, als erst einmal die Isolierung erfolgte.«
Dubchek holte tief Luft und sagte dann herablassend: »Hören Sie mal zu. Dr. Layne hat Ihre Feststellung bestätigt, daß einer der Erstpatienten an derselben Ärztekonferenz in San Diego teilgenommen hat wie Richter und Zabriski. Diese Tatsache bildet die Grundlage der offiziellen Einschätzung: Richter brachte den Virus aus seinem einheimischen Speicher in Afrika mit und übertrug ihn dann auf andere Ärzte, die in San Diego
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