Virus
werden konnten. Offensichtlich war das hier in Phoenix anders. Bei so vielen zu gleicher Zeit aufgetretenen Fällen mußte man den Verdacht auf Ansteckung durch Wasser oder Nahrungsmittel hegen.
»Wenn die Verbreitung über das Wasser erfolgt ist, müßten dann nicht noch mehr Leute angesteckt worden sein?« fragte eine der Ärztinnen.
»Wenn die gesamte Wasserversorgung des Krankenhauses die Quelle wäre, dann wohl«, sagte Marissa. »Aber wenn wir an einen bestimmten Wasserhahn denken …« Sie verstummte, und dann gab sie zu: »Ebola war bisher nie eine durch Wasser oder Luft verbreitete Infektion. Das ist alles höchst mysteriös, und gerade das unterstreicht die Notwendigkeit genauer Krankheitsgeschichten, um irgendeinen Bereich von Gemeinsamkeit zu finden. Waren alle Patienten in derselben Schicht? Haben alle auf demselben Stock, in derselben Abteilung gearbeitet? Tranken sie alle Kaffee aus demselben Topf, haben sie das gleiche gegessen, haben sie alle dasselbe Tier berührt?«
Marissa schob ihren Stuhl zurück und trat an eine Tafel, um dort eine Folge von Fragen aufzuschreiben, die man allen Kranken stellen sollte. Die übrigen Ärzte gingen auf die Sache ein und machten ihrerseits Vorschläge. Anschließend fügte Marissa nach einer gewissen Überlegungspause noch hinzu, man solle alle Patienten danach fragen, ob irgendeiner von ihnen an einer Tagung über Operationen am Augenlid teilgenommen hätte, die vor etwa drei Monaten in San Diego stattgefunden hatte.
Bevor die Gruppe auseinanderging, ermahnte Marissa noch einmal alle, sich streng an die Isolationsmaßnahmen zu halten und die entsprechenden Vorschriften genau zu befolgen. Dann bedankte sie sich nochmals bei allen und wandtesich schließlich der Durchsicht der Unterlagen zu, die schon greifbar waren.
Wie sie es schon in Los Angeles gehalten hatte, bat sich Marissa einen kleinen Raum hinter dem Schwesternzimmer auf einem der Isolationsgänge als ihre »Kommandozentrale« aus. Wenn die anderen Ärzte ihre Umfragen nach der Vorgeschichte der Erkrankung beendet hatten, brachten sie ihre Unterlagen zu Marissa, die mit der mühsamen Arbeit begonnen hatte, sie miteinander zu vergleichen und in Beziehung zu setzen. Es war aber nichts Ungewöhnliches feststellbar außer der Tatsache, daß alle Patienten Mitarbeiter des Medica-Hospitals waren – und das war schließlich bereits bestens bekannt gewesen.
Bis zwölf Uhr mittags waren vierzehn weitere Fälle eingeliefert worden, was Marissa in hohem Maße befürchten ließ, daß man es hier mit einer ausgewachsenen Epidemie zu tun hätte. Alle neu Eingelieferten waren bei der Medica Group versichert, mit einer einzigen Ausnahme, und waren von kranken Ärzten behandelt worden, bevor diese selbst Symptome der Erkrankung aufgewiesen hatten. Die Ausnahme war ein Laborant, der Untersuchungen für die ersten Fälle vorgenommen hatte, bevor der Verdacht auf den Ebola-Virus vorlag.
Gerade als die Nachtschicht den Dienst aufnahm, hörte Marissa, daß die übrigen Ärzte des Seuchenkontrollzentrums angekommen seien. Mit großer Erleichterung ging sie zu ihnen, um sie zu begrüßen. Dubchek war schon dabei, beim Aufbau des mobilen Labors zu helfen.
»Sie hätten mir doch sagen können, daß das ganze verdammte Krankenhaus bereits unter Quarantäne gestellt ist!« fuhr er sie an, als er sie bemerkte.
»Sie haben mir ja keine Gelegenheit dazu gelassen«, sagte sie und überging die Tatsache, daß er vor ihr aufgelegt hatte. Sie wünschte sich, es gäbe etwas, wodurch sie die Beziehung zu ihm hätte verbessern können, die statt dessen immer schlechter zu werden schien.
»Nun gut, Paul und Mark sind nicht sonderlich glücklich«, sagte Dubchek. »Als sie erfuhren, daß wir alle drei während der Dauer der Epidemie hier eingesperrt sein würden, drehten sie um und flogen nach Atlanta zurück.«
»Und was ist mit Dr. Layne?« fragte Marissa schuldbewußt.
»Er ist schon in einer Besprechung mit Dr. Weaver und der Krankenhausverwaltung. Dann will er schauen, ob der Staatsbeauftragte für Gesundheitsfragen die Quarantänebestimmungen für uns CDC-Leute lockern kann.«
»Ich kann mich, wie ich vermute, mit Ihnen erst unterhalten, wenn Sie das Labor hier in Gang gebracht haben«, sagte Marissa.
»Immerhin haben Sie ein gutes Gedächtnis«, knurrte Dubchek und beugte sich hinunter, um eine Zentrifuge aus ihrem hölzernen Behälter zu heben. »Wenn ich hier fertig bin und mit Layne nochmals wegen der Isolationsmaßnahmen
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