Virus
meiner Arbeit scheinen jedoch Dubcheks Ansicht zu stützen. Ich habe Ribonukleinsäure und Capsidproteine, also die Proteine der Außenhülle, bei den Viren aus allen drei Ausbrüchen isoliert, und erstaunlicherweise sind sie völlig identisch. Das bedeutet, daß es sich immer um denselben Virusstamm handelt – und das heißt wiederum, daß wir es eigentlich mit nur einem Ausbruch zu tun haben. Normalerweise verändert sich Ebola immer in einem gewissen Ausmaß. Sogar bei den beiden ersten Ausbrüchen in Afrika, also in Yambuku und Nzara, waren Unterschiede feststellbar bei den in einer Entfernung von achthundertfünfzig Kilometern aufgetretenen Viren.«
»Aber was sagst du denn zur Inkubationszeit?« protestierte Marissa. »Bei jedem neuen Auftreten der Erkrankung lag die Inkubationszeit der neu Erkrankten bei zwei bis vier Tagen. Aber zwischen der Ärztetagung in San Diegound dem Ausbruch der Krankheit in Phoenix lagen drei Monate!«
»Na gut«, sagte Tad, »aber das ist auch kein größeres Rätsel als die Frage, wie die Viren in den Vanillepudding geraten sein sollen, und noch dazu in solchen Mengen.«
»Deswegen habe ich dir ja die Zutaten geschickt!«
»Aber Marissa«, wandte Tad ein, »der Ebola-Virus wird bereits bei sechzig Grad abgetötet. Selbst wenn er in den Zutaten gewesen wäre, so wäre er doch durch den Kochvorgang wirkungslos geworden.«
»Die Frau, die den Nachtisch serviert hat, ist ja selbst krank gewesen. Vielleicht hat sie ihrerseits die Ansteckung durch den Pudding bewirkt.«
»Großartig«, sagte Tad und rollte mit seinen hellblauen Augen. »Aber wie kommt sie an einen Virus, den es eigentlich nur im schwärzesten Afrika gibt?«
»Das weiß ich ja auch nicht«, gab Marissa zu. »Aber ich weiß genau, daß sie an einem Augenärztetreffen in San Diego nicht teilgenommen hat.«
In verzweifeltem Schweigen kauten sie eine Weile vor sich hin.
»Ich kenne nur einen einzigen Ort, woher die Bedienung den Ebola-Virus bekommen haben kann«, sagte Marissa schließlich.
»Und was wäre das für ein Ort?«
»Hier unser Seuchenkontrollzentrum.«
Tad legte den Rest seines Sandwichs hin und starrte Marissa mit großen Augen an. »Um Gottes willen, weißt du, was du da unterstellst?«
»Ich unterstelle gar nichts«, antwortete Marissa. »Ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Die einzig bekannte Quelle für Ebola ist unser eigenes Hochsicherheitslabor.«
Tad schüttelte ungläubig den Kopf.
»Tad«, sagte Marissa in entschlossenem Ton, »ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Kannst du dir nicht vom Büro für biologische Sicherheit eine Liste all jener Leutebeschaffen, die im letzten Jahr im Hochsicherheitslabor waren?«
»Das gefällt mir nicht«, antwortete Tad und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Ach, komm schon«, sagte Marissa. »Die Beschaffung einer solchen Liste schadet doch niemandem. Es wird dir doch bestimmt ein Grund dafür einfallen, um deine Bitte um eine solche Liste zu begründen.«
»Diese Liste ist nicht das Problem«, gab Tad zu. »So was habe ich früher auch schon mal gemacht. Was mir nicht gefällt, ist der Gedanke, daß ich dich damit in deiner Wahnsinnsidee ermutige, und noch weniger gefällt mir die Vorstellung, daß ich dann zwischen dir und der Verwaltung, vor allem Dubchek, stehe.«
»Ach du meine Güte«, meinte Marissa, »die Beschaffung einer solchen Liste kann dich doch wohl kaum zwischen Dubchek und mich bringen. Und überhaupt – wie soll er denn davon erfahren? Wie soll denn überhaupt jemand davon etwas erfahren?«
»Na ja, das stimmt schon«, gab Tad widerstrebend zu. »Aber das setzt natürlich voraus, daß du niemandem die Liste zeigst.«
»Also gut«, sagte Marissa, als ob damit die Sache entschieden sei. »Ich schaue heute abend bei dir vorbei und hole mir die Liste ab. Einverstanden?«
»Na, meinetwegen.«
Marissa lächelte Tad an. Er war ein prächtiger Freund, und sie hatte das beruhigende Gefühl, daß er nahezu alles für sie tun würde. Das war deshalb ein so gutes Gefühl, weil sie ihn noch um einen weiteren Gefallen bitten müßte – sie mußte auf alle Fälle noch mal ins Hochsicherheitslabor!
*
Nachdem sie die Handbremse energisch angezogen hatte, stieg Marissa aus ihrem roten Honda. Die Straße war ziemlich abschüssig, und so hatte sie vorsichtshalber auch noch die Räder auf den Randstein zu eingeschlagen. Obwohl sie nun schon recht oft mit Tad ausgegangen war, hatte sie ihn doch noch niemals in seiner
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