Viscount und Verfuehrer
ist leer. “
Reeves trug die neue Karaffe herein und stellte sie auf den Tisch. „Mein Fehler, Mylord. Sie leeren sie nicht mehr so oft wie früher, da habe ich einen Moment lang nicht aufgepasst.“
Christian verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Nun, Reeves. Es war ein Abenteuer, nicht wahr?“
„Allerdings, Mylord. Sind Sie mit der Entwicklung der Dinge zufrieden?“
Christian grinste. „Ich bin mit der schönsten aller Frauen verheiratet. Wie könnte ich da nicht zufrieden sein?“
„Was wird jetzt mit Lady Charlotte geschehen?“
„Sie ist nach Bedlam überwiesen worden. Der Herzog zahlt ein Vermögen, damit sie es dort bequem hat, aber dafür ist sie jetzt sicher verwahrt. Sie wird niemandem mehr schaden.“
„Es tut mir leid, dass Ihr Abenteuer so eine schmerzliche Erfahrung war. “
„Mir auch. Aber manchmal muss man eben den beschwerlichen Weg nehmen, um ans Ziel zu gelangen. Ich habe herausgefunden, wer meine Mutter auf dem Gewissen hat, und die Mörderin wurde in gewisser Weise zur Rechenschaft gezogen. Vor allem jedoch habe ich erkannt, dass meine Zukunft - und Beth - wichtiger sind als die Vergangenheit, die ich hätte haben können.“
„Gewiss, Mylord“, bestätigte Reeves. „Das ist eine sehr wichtige Lektion. “ Er nahm die leere Karaffe und stellte sie auf das Tablett. „Wünschen Sie sonst noch etwas?“ Christian seufzte. „Sie werden nichts sagen, nicht wahr?“ „Mylord?“
Christian stand auf und breitete die Arme aus. „Meine Kleidung.“
Reeves musterte Christian von Kopf bis Fuß. „Etwas ist verkehrt, Mylord.“
„Verkehrt?“
„Ihre Sachen sind nicht schwarz.“
Christian grinste. Er trug ein schneeweißes Krawattentuch und Hemd. Seine Weste war aus tiefrotem Damast. „Gefällt es Ihnen? Ich trage sie zu meiner Zusammenkunft mit den Treuhändern. Heute überschreiben sie mir das Vermögen.“
„Sie sehen sehr elegant aus, Mylord. Ich muss der Viscountess sofort zu ihrem hervorragenden Geschmack gratulieren. Sie sind wahrhaftig zu beglückwünschen. Ihre Gattin ist nicht nur eine wunderbare Frau von liebenswürdigem Wesen und außergewöhnlicher Intelligenz, sie kleidet Sie auch viel besser, als Sie selbst es je taten.“
Christian seufzte. „Müssen Sie das? Müssen Sie mir den ganzen Glanz nehmen?“
„Sie brauchen es nicht mehr lange mit mir auszuhalten, Mylord“, erklärte Reeves lächelnd. „Ich muss Sie bedauerlicherweise davon in Kenntnis setzen, dass ich Sie bald verlassen werde.“
Christians Lächeln erlosch. „Aber ... warum denn?“ „Während ich Ihre Krawattentücher stärkte und Ihnen beistand, Ihr Fehlverhalten zu erkennen, habe ich Zeit gefunden, ein Buch zu schreiben.“
„Ein Buch? Worüber?“
„Darüber, wie man ein vollkommener Butler und Kammerherr wird. “
Christian seufzte. „Und ich war für Sie nur das Studienobjekt, ja, Reeves?“
Um Reeves’ Lippen zuckte es. „Ich werde das Buch Ihnen und Ihrem Bruder widmen. Ich muss sagen, ehrenwerteren Männern als Ihnen habe ich noch nicht gedient.“
„Danke. Mein Bruder wird Ihnen sicher noch mehr danken als ich. “
„Warum fragen Sie ihn nicht selbst, ob dem so ist?“ Christian hielt inne. „Tristan? Er ist ...“
„Der Earl und die Countess befinden sich im Salon. Ich habe ihre Kutsche gesehen, als ich Ihnen die Karaffe gebracht habe.“
Christian war schon auf halbem Weg zur Tür.
„Mylord?“, rief Reeves ihm nach. „Ihr Rock ...“
Doch Christian blieb nicht stehen. Er rannte die Treppe hinunter und platzte in den Salon. Tristan lehnte dort am Kaminsims, einen Stock in der Hand. Er war groß, breitschultrig und blond, und sein wettergegerbtes Gesicht verriet den Seemann.
Seine wunderbare Frau Prudence saß neben Beth auf dem Sofa.
Beth erhob sich, als Christian mitten im Salon zum Stehen kam. „Da bist du ja“, sagte sie und ging auf ihn zu. „Ich habe gerade deinen Bruder und seine Countess kennengelernt!“
Christian legte den Arm um Beth. Sie trug ein herrliches Gewand aus weinroter Seide, und die Sonne, die zum Fenster hereinströmte, brachte ihr blondes Haar zum Leuchten. Ihr Anblick wärmte ihn vom Kopf bis in die Zehen. „Ich wusste nicht, dass wir Besuch haben.“
„Das wird wohl auch der Grund sein, warum du nur halb angezogen bist“, warf sein Bruder ein. Seine tiefe Stimme, die es gewohnt war, auf Deck eines Schiffes Befehle zu rufen, die das Tosen der Wellen übertönten, polterte
Weitere Kostenlose Bücher