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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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herrscht übers Königreich Kampfbahn Oberwacker und Idas Daddy ist King der Haute Cuisine! Sogar Rocky hat einen astreinen Stammbaum. Sollen wir dir unsere Wappen zeigen? Das ist meins!« Ich drehe mich seitlich und ziehe die Shorts etwas hoch, sodass das zehn Zentimeter große, grinsende rote Comicteufelchen auf meinem Oberschenkel gut zu sehen ist. Diese Tätowierung ist mein ganzer Stolz. Ich hab sie mir aus Trotz machen lassen, drei Tage nachdem man mich zum unmöglichsten Mädchen der ganzen Kleinstadt gewählt hatte.
    Ida hat auch ein Tattoo, aber wahrscheinlich eines ohne besondere Geschichte, denn sie zeigt es fast nie. Es ist eine Rose, die aus einer altmodischen, verschlungenen Gittertür herauswächst. Die Arbeit selbst ist schön, liegt aber an einer sehr ungünstigen Stelle unterhalb ihres Schulterblatts, die meistens bedeckt ist. Natürlich zeigt Ida sie auch jetzt nicht. Sie findet mich gerade total kindisch, zieht eine Schnute und sagt: »Wollen wir nicht mal langsam unser Zelt aufbauen?«
    »Nicht, bevor du dein Geschenk aufgemacht hast!«
    »Stimmt!« Ihr Gesicht hellt sich auf und sie greiftnach dem Karton, den ihr Malte gegeben hat. Malte ist ein Schatz, er hatte die Idee für dieses Geschenk und hat mir auch mein Tattoo bezahlt.
    Während Ida den Karton aufreißt, winke ich Jan zu, der sich davonmacht. »Bis später!«
    Ida schaut nicht einmal auf. Dafür ruft sie jetzt begeistert: »Eine Hängematte! Toll!«
    »Die hätte Jan uns aufhängen können.«
    »Pah, das schaffen wir alleine!« Sie umarmt mich und wir stürzen uns mit Feuereifer aufs Aufbauen.
    Bald ist alles so hergerichtet, wie wir’s wollen: Rocky hat seinen Wassernapf, für uns wird die erste Flasche Sekt entkorkt und wir stoßen an: auf unser geräumiges Zelt, den angeschlossenen Minikühlschrank, die mit je vier dicken Doppelknoten an den Tannen befestigte Hängematte, das bunte Windrad, das wir wie eine Landmarke in die Erde gesteckt haben, und – nicht zu vergessen – auf den süßesten Hund der Welt.
    »Alles ist so wunderschön unperfekt, ganz anders als zu Hause«, freut sich Ida.
    Weil ich da nicht mithalten kann – bei uns zu Hause herrscht immer Chaos –, rufe ich: »Und jetzt gehen wir baden!«, nehme ihre Hand und ziehe sie ins Zelt, wo wir uns umziehen können.
    »Hast du einen neuen Bikini?«
    »Nein, der ist schon alt, aber ich mag ihn immer noch, rot-weiß gepunktet ist einfach lustig.«
    »Ach, stimmt, als ich dich das letzte Mal baden sah, hattest du ja keinen richtigen Bikini an.«
    Der Spruch gefällt mir nicht, aber ich verbiete mir, Ida die Bemerkung übel zu nehmen. Für alles, was nach meinem Sprung vom Bootshaus passiert ist, kann sie rein gar nichts. Im Gegenteil: Ohne ihre Hilfe wäre ich in den letzten vier Wochen verloren gewesen. Sie war mit Malte einer der wenigen Menschen, die vorbehaltlos zu mir gestanden haben. Also schlucke ich meinen Ärger runter und sage: »Dein Bikini ist aber auch schön. Das changierende Lila passt so gut zu deinen Haaren.«
    »Hat meine Mutter mir spendiert.«
    »So ’ne Mutter möchte ich auch haben.«
    Wir schnappen uns eine Flasche Sekt und unsere Handtücher, stoßen im Zelt gegeneinander, gegen die Stangen, gegen Rocky – »Iiiih, Rocky, du darfst mit deinen dreckigen Pfoten nicht über mein Kopfkissen trampeln, raus mit dir!« – und laufen zum kleinen Strand hinunter.
    »Ist das schön!« Ich tapse ins angenehm laue Wasser, genieße den Sand und Schlick an meinen nackten Füßen, diese weiche Masse, von der man nicht weiß, was eigentlich drin ist, den leichten Flussgeruch, die Art, wie sich das grünliche Wasser um meine Beine, meinen Bauch schließt, und tauche im Nu ganz ein. Ida steht noch ein Weilchen am Rand, wirft Rocky Stöckchen ins Wasser, die er eifrig zurückbringt, und ziert sich selbst ein bisschen. Warum? Es ist herrlich! Gar nicht kalt! Und da schwimmt eine Stockente, wenn ich mich etwas anstrenge … ah, nein, sie nimmt schon schnatternd Reißaus.
    »Komm!« Ich drehe mich auf den Rücken und sehe in den Himmel. Da gibt’s wohl ein paar Wolken, aber im Grunde ist alles sommerlich blau und so soll es auch bleiben. Wie gut, dass ich in den Urlaub gefahren bin, denke ich. Ich lass mich doch von Tobias nicht erpressen und einschüchtern!
    Ida braucht lange, um sich abzukühlen, ekelt sich vor den Algen und schwimmt nur eine kurze Runde. Skeptisch beäugt von zwei dicken Frauen, die am Strand in der Sonne liegen, holt sie anschließend lieber

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