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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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sauberes, durchsichtiges Flaschenglas. Sie nahm eine in die Hand und betrachtete das darin liegende Papierröllchen, zusammengebunden mit einer blauen Schleife.
    Flaschenpost?
    Werden besonders in den Sommermonaten hin und wieder angetrieben. Die Vorgängerin hatte schon einige zusammengetragen.
    Die hier ist ungeöffnet.
    Ja.
    Er hatte die Flaschen, die durch die Strömung meist am Südoststrand angeschwemmt wurden, gesammelt und in die Hütte getragen.
    Die Botschaften sind enttäuschend. Bitte um Briefkontakt von Feriengästen, meist in Kinderschrift, auch wenn das Alter mit vierzig angegeben wird. Komme aus Wuppertal. Floristin. Zwei Katzen, jetzt bei der Freundin.
    Welches Du wird diese Flasche finden? Bitte schreibe. Garantiert Antwort von einsamer Badenixe in Cuxhaven.
    Seine Vorgängerin hatte die, die sie fand, geöffnet und brav zurückgeschrieben, auch der Badenixe. Die Zettel und die Briefe hängen dort am Brett.
    Nein, ich habe keine geöffnet. So warten die Wünsche auf ihren Empfänger. Das ist das romantische Strandgut. Alle drei Tage sammle ich die Realität auf. Führe auch ein Protokoll. Der Müll stammt meist von den Schiffen und Jachten.

    Wie schön gedeckt, sagte sie, richtig feierlich.
    Selten kommen Gäste. Er setzte die Kartoffeln, die er schon geschält und geschnitten hatte, auf dem Herd auf und daneben den Topf mit den Roten Beten.
    Sie sah sich auf dem Schreibtisch um, fragte, darf ich?
    Nur zu.
    Auf dem Tisch lagen die Tabellen der Vogelarten, Wetter, Temperatur, Windgeschwindigkeit, all das, was er morgens, mittags und abends ablas. Die Schätzung der Vogelzahlen, die Daten der Vogelarten. Das Protokoll über den Müll, über Todfunde im Spülsaum.
    Todfunde?
    Verendete Vögel. Ich untersuche die Todesursache. Müll im Magen, Öl im Gefieder oder Altersschwäche.
    Sezierst du die Vögel?
    Hin und wieder. Vor allem schaue ich, ob sie beringt sind. Das melde ich. So kann man ihren weiten Weg verfolgen.
    Sie blätterte in den Rechercheheften und in den Fotografien von Darstellungen der Jonasgeschichte, die er in den letzten Jahren gesammelt oder aber in Kirchen und Museen selbst gemacht hatte.
    Du arbeitest immer noch über Jonas?
    Ja, hier ist der rechte Ort.
    Sie suchte in den Fotografien. Eine zog sie heraus, ein Sarkophagrelief aus Byzanz aus dem 11. Jahrhundert.
    Der Künstler hatte sicherlich nie einen Wal gesehen. Dargestellt war ein Ungeheuer, eine Mischung aus Drachen und Fisch, ein Fabelwesen, das den Rachen geöffnet hat, in den eine kleine Gestalt hineinspringt.
    Das Tier wirkt so pflichtbewusst, sagte sie, wie es den Rachen aufreißt, um den Propheten zu verschlucken. Es liegt aber auch viel Hoffnung darin, denn man weiß, dieser Mann wird nicht verdaut.

    Ich glaube, hatte sie bei ihrem letzten Treffen in dem Coffeeshop gesagt, im Gegensatz zu dir. Ich glaube an Gott. Ich glaube an ein Nachleben. Es sind einfache Erfahrungen, die mich das glauben lassen. Eine Gewissheit. Und ich glaube an die Institution der Ehe. Und ich glaube an die Institution der Kirche. Das ist doch ein ganz bequemes Gerede, eine Ausrede, um keine Steuern zahlen zu müssen, von wegen, ich glaube an Gott, aber nicht an die Kirche. Ich bin getraut worden. Ich habe in Weiß geheiratet. Es war ein Fest, und ich war sicher, dass ich die Ehe nicht brechen werde. Du bist schuld. Nicht weil du mich überredet hast, sondern weil es dich gibt. Weil ich dich nicht vorher getroffen habe. Aber man kann nicht ein klein wenig korrigieren. Man muss dann einen Schnitt machen. Darum habe ich es Ewald gesagt, und darum habe ich mich getrennt. Aber ich will mich nicht scheiden lassen. Deshalb finde ich eine evangelische Bischöfin, die geschieden ist, ganz unmöglich. Sie kann saufen, sie kann bei Rot über die Kreuzung fahren, Affären haben, aber sie kann und darf sich nicht scheiden lassen.

    Er konnte nicht nachvollziehen, warum sie, die so offen, so gelassen in der Einschätzung moralischer Dinge war, gerade in der Frage der Ehe so kompromisslos dachte. Aber sie sagte: Es muss in dieser heillosen Welt etwas Heiliges geben.

    Ich glaube, sagte sie, daran verzweifelt Jonas, ein Gesetz wird gebrochen. Gottes Wort soll gelten. Und Gott darf sich nicht wie einer der evangelischen Pastoren verhalten, die alles verstehen und alles verzeihen. Das sind Sozialarbeiter mit Griechischkenntnissen, mehr nicht.
    Er lachte und nahm wie früher ihre Hand und küsste sie, kurz nur, um sie sogleich in einem sachlichen Ton nach ihrer

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