Voll erwischt
Norman. «Willst du den Scheißanzug ruinieren, noch bevor ich ihn anhabe?»
Er stellte den Kerl wieder auf die Beine, zog ihn zum Wagen hinüber und lehnte ihn gegen die Kühlerhaube. «Zieh die Klamotten aus», befahl er. «Jacke, Hose, alles. Leg das Zeug einfach auf den Wagen.» Norman zog sich ebenfalls aus und warf die Kleidung auf den Boden. Er besaß ein kleines Messer, das er sich aus einem Löffel gemacht hatte, den er so lange anschliff, bis er damit Papier schneiden konnte. Das Messer legte er auf die Motorhaube. Er stand in Unterwäsche da und wartete, daß der Typ endlich in die Gänge kam. Aber der Kerl hatte gerade mal einen Arm aus der Jacke. «Mensch», sagte Norman, « wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.»
Er zog ihm die Jacke aus und knöpfte das Hemd auf, ließ die Hose um die Knöchel fallen. Dann zog er die Klamotten von dem Typ an. Alles mehrere Nummern zu groß, doch es fühlte sich erheblich besser an als die Gefängniskluft. Er krempelte den Hosenbund um, aber trotzdem war das Ding noch zu lang. Er ließ den alten Knaben in Unterwäsche auf der Straße sitzen, während er das Hemd anzog, die Krawatte knotete und die Jacke überstreifte. Die Ärmel waren mindestens acht Zentimeter zu lang, also rollte er sie auf. Norman nahm sein selbstgebasteltes Messer und steckte es in die Brusttasche der Jacke. Schließlich setzte er sich neben den alten Knaben und zog die Socken und die braunen Oxfordschuhe an. Als er wieder aufstand, sagte er: « Das Problem mit euch Typen ist, daß ihr einfach keinen Geschmack habt. Wenn ich etwas Besseres zur Auswahl hätte, würde ich deine Klamotten hier in den Graben schmeißen.»
Das Hemd, die Jacke, einfach alles roch nach dem alten Knaben. Es war ein Geruch, den man normalerweise nie riechen würde, weil man nämlich um solche Leute einen weiten Bogen schlug. Begegnete man trotzdem einem, der so roch, sagte man ihm sofort, er solle sich verpissen.
Unter beträchtlichen Schwierigkeiten half er dem alten Sack in die abgelegten Knastklamotten. Der Typ sagte keine Silbe, zitterte nur, schien nicht stillhalten zu können. Seine Hände und Beine zitterten, sein Kopf wippte pausenlos wie bei einer Marionette. «Was zum Henker ist los mit dir?» fragte Norman.
Er wuchtete den Kerl wieder auf die Beine und schleifte ihn zum Straßengraben. «Leg dich da unten hin», befahl er. «Und denk nicht mal dran, dich zu bewegen.» Der Typ lag flach auf dem Bauch, sein Gesicht im Dreck. Norman machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Stein, nach irgendwas Schwerem. Er fand einen großen Felsbrocken, konnte ihn kaum heben, und kehrte damit zurück. Norman ließ ihn dem Kerl auf den Kopf fallen. Irgendwas ging kaputt. Norman hatte keine Ahnung, ob es der Stein war oder der Kopf von diesem Typen. Er hob den Stein wieder auf, so hoch er konnte, und pfefferte ihn dem Kerl noch einmal auf den Kopf. Der Stein krachte auf den Kopf und prallte ab, hüpfte irgendwo in den Straßengraben und rollte außer Sicht. Das Gesicht von dem Kerl war jetzt halb im sumpfigen Boden vergraben. Sein linkes Bein veranstaltete ein Solotänzchen. Der Rest lag bewegungslos da.
«Na, was hältst du davon?» fragte Norman.
Aber der Typ antwortete nicht. Hauchte nicht eine Silbe.
«Wenn die dich finden», erklärte Norman ihm, «werden sie dich für mich halten. Wenigstens für eine Weile. Bis sie dich identifizieren können. Bis die aber endlich dahinterkommen, wer du wirklich bist, bin ich längst über alle Berge.»
Norman ging zum Wagen zurück und schob sich auf den Fahrersitz. Beugte sich rüber und öffnete das Handschuhfach, um nachzusehen, ob vielleicht eine Flasche drin lag. Da war keine Flasche. Dafür aber ein Paar Handschuhe und eine große Tüte Süßigkeiten. Diese Schaumdinger in tausend verschiedenen Farben, die aber trotzdem alle gleich schmecken.
Norman schüttelte den Kopf. Er kramte in den Jackentaschen nach Zigaretten, fand aber nur einen kleinen Schokoriegel. Den er sofort aus dem Fenster warf. Er stieg wieder aus dem Wagen und kehrte zum Graben zurück. «Wenn du so eine Scheiße frißt, Mann, kriegst du am Ende nur Karies», rief er ihm zu.
Aber der Typ antwortete absolut null. Rührte nicht einen Muskel.
Kapitel 2
«Du solltest dir einen Hund zulegen», meinte Geordie.
«Ich sollte mir keinen Hund zulegen», erwiderte Sam Turner. «Mit deinem Hund hab ich schon mehr als genug zu tun. Den halben Tag gehe ich doch schon mit deinem Hund spazieren, damit er
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