Voll erwischt
Kapitel 1
Als die Politikos den Transport überfielen, sah Norman zu, daß er rauskam.
Die ersten paar Augenblicke nach der Explosion unternahm er allerdings erst mal gar nichts. Es dauerte vielleicht eine Minute, bis die Maskierten reinkamen und den Itaker rausholten, weiß der Geier, wie der Typ hieß. Isaac, irgendwie so. Zwei Männer führten den Kerl zu einem Motorrad und gaben ihm einen Sturzhelm, dann saß er auch schon auf dem Sozius und fuhr weg.
Schließlich waren nur noch Norman und der Schwarze da. Die zwei saßen wie zwei alte Scheißrentner auf einer Parkbank. Später konnte sich Norman nicht mehr erinnern, wer sich von ihnen als erster in Bewegung setzte, aber auf einmal waren beide auf den Beinen und stürmten auf das Loch zu, wo vorher das Fahrerhaus des Gefangenentransporters gewesen war.
Gott, was für eine Schweinerei. Das Fahrerhaus, die Typen, die die Karre gefahren hatten, der ganze vordere Teil des Transporters - alles weg. Man kann über diese Politikos sagen, was man will, aber halbe Sachen machen die nicht. Norman kannte sich aus mit Kanonen, Handfeuerwaffen, Gewehren, allen möglichen Dingen, die man als Waffen bezeichnen konnte. Aber diese Typen hier benutzten Artillerie. Womit hatten sie das gemacht? Mit einer Panzerfaust oder einem Raketenwerfer?
Die Antwort kannte Norman nicht, er war nur verdammt froh, daß der Typ am Abzug auch tatsächlich sein Ziel getroffen hatte. Wenn er den Transporter nur anderthalb Meter weiter hinten erwischt hätte, wäre Norman verdunstet.
Der vordere Wagen ihrer Eskorte war auch getroffen worden, aber offensichtlich mit einer leichteren Waffe, da er sich nicht wie das Fahrerhaus des Transporters in seine Bestandteile aufgelöst hatte. Ein beißender Geruch hing in der Luft, der in den Augen brannte, aber richtig in Flammen stand nichts. Einer der Bullen aus dem hinteren Wagen ihrer Eskorte kroch auf der Straße rum, und hinter ihm war noch einer, der zwar humpelte, aber trotzdem versuchte, seinem Kumpel zu helfen. Sie schienen sich weder für Norman noch für den brother zu interessieren.
Die meisten von den maskierten Politikos waren inzwischen verschwunden. Norman sah noch flüchtig, wie der letzte die Hecktüren eines Lieferwagens zuwarf. Die hatten da drin eine Kanone, die groß genug war, um Jesus umzulegen. Ihn mit Highspeed ins Himmelreich zu befördern.
Da waren die Straße und die Felder, offenes Land. Ein hoher Maschendrahtzaun säumte die Straße. Der brother rannte bereits darauf zu. Wenn du weg willst, dann nichts wie weg, sagte sich Norman. Egal wie, aber setz deinen Arsch in Bewegung.
Die Alternative heißt, du kannst den Rest deines Lebens im Knast hocken. Der Oberbulle hatte gesagt, genau darauf lief’s hinaus. «Wir lassen dich nie mehr raus, Norman. Nicht mal, wenn du alt und grau bist. Raus kommst du nur noch im Sarg.» Norman rannte schneller, als er je zuvor in seinem Leben gelaufen war. Bei «alt und grau» ging ihm echt die Muffe. Wenn das jetzt seine große Chance war, okay, dann greif zu, Mann. Zeigen wir dem brother doch mal, was Laufen wirklich bedeutet.
Mit hundertsechzig krachte er gegen den Zaun, nachdem er schon zwei Meter davor abgesprungen war. Der Schwarze hatte jetzt nur noch einen Meter Vorsprung. Norman kletterte hinter ihm hoch. Sie kamen gleichzeitig oben an, machten jetzt ein bißchen langsamer, um an dem Stacheldraht vorbeizukommen. Der brother blieb mit der Hose hängen und mußte einen Fetzen zurücklassen. Bei Norman blieb nichts hängen. Er flog förmlich drüber.
Machte statt dessen eine Bruchlandung und brach sich dabei einen Zeh. Einen Augenblick später war der brother neben ihm, beide waren auf allen vieren. Wie beim Start eines Wettlaufs bei der Olympiade. Die Sprinter warteten auf den Schuß. Der Bulle, der noch auf den Beinen war, kam jetzt hinter ihnen angerannt, war aber noch weit weg. Weder Norman noch der Schwarze warteten den Startschuß ab. Sie katapultierten sich aus diesen Startblöcken wie eine Simultanejakulation beim Rudelwichsen unter Pubertie-renden.
Nur den Horizont im Auge. Aus den Augenwinkeln sah Norman den brother rechts neben sich. Der Typ klebte an ihm. Norman hielt sich ein Stück nach links, der brother blieb bei ihm. Er hielt sich noch weiter nach links, und der brother war immer noch da. Scheiße, dachte er, der Blödmann folgt mir.
Eins wußte Norman todsicher. Weit würde der brother nicht kommen. Selbst der unterbelichtetste Bulle des Landes konnte ihn noch
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