Voll erwischt
Tagesanbruch befand er sich mitten in einer Wohnsiedlung, immer noch unterwegs in die Innenstadt von Exeter. Alle Vorhänge waren zugezogen, alle schliefen in ihren behaglichen kleinen Betten und träumten von all dem Sex und der Gewalt, die sie sich wünschten. Ein netter, kleiner schwarzer BMW, wahrscheinlich frisiert, stand vor seiner Garage. Innen echtes Lederpolster, Teak-Armaturenbrett, Radio und Stereotapedeck, ein kleiner Container mit Kassetten. Sah vielversprechend aus.
Norman bog den Kleiderbügel auf, den er aus dem Renault mitgenommen hatte, und schob ihn auf der Fahrerseite hinter die Seitenscheibe. Er fummelte ein bißchen herum, bis er die Verriegelung gefunden hatte. Ein kräftiger Ruck am Kleiderbügel, dann war er - während er die Türverriegelung festhielt - auch schon drin.
Was für ein angenehmer Geruch von all dem vielen Leder. Mit dem Schraubenschlüssel zerschlug er die Plastikverkleidung der Lenksäule und schloß die Kabel kurz. Bevor er den Motor anließ, schob er den Wagen hinaus auf die Straße. Wollte ja schließlich nicht, daß der Besitzer durch das Motorengeräuch womöglich aufwachte, dann seiner Lieblingskarre die Straße runter nachrannte und der Polizei den Diebstahl meldete, bevor Norman aus der Siedlung war.
Die Maschine hatte einen Sound wie ein knurrender Löwe. Norman legte den ersten Gang rein und kehrte den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, raus auf die M 5, die ihn bis nach Bristol bringen würde. Exeter war nicht mal eine Stippvisite wert. Viel zu nah am Tatort. Da würde es von Bullen nur so wimmeln.
Die Kassetten waren eine bunte Mischung, aber schließlich fand er ein Tape von Tina Turner. Vorne drauf war ein Bild von ihr, nichts als Beine. Und innen, Jesus, ein Foto, auf dem sie praktisch nichts anhatte. Er legte dieses Bild so aufs Armaturenbrett, daß er es beim Fahren gut sehen konnte, schob die Kassette ein und drehte voll auf. Danach fühlte er sich ein paar Minuten richtig gut, bis ihm wieder einfiel, daß er schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen hatte. Also fühlte er sich beschissen und war sich des großen Lochs in seinem Bauch nur zu bewußt.
Er hatte ja noch die Kohle und die Kreditkarten, könnte also an der nächstbesten Tankstelle halten, sich ein beschissen großes Frühstück gönnen und für später noch was zu essen und trinken mitnehmen. Könnte sich eine Tragetasche mit Sandwiches für eine Woche füllen.
Aber das würde er nicht tun. Todsicher waren da überall Bullen postiert. Scheiße, wenn die ihn in einem Anzug, der fünfzehn Nummern zu groß war, in eine Cafeteria latschen sahen, hatte ihn doch der letzte Schlaffi in zwei Minuten in die grüne Minna gepackt.
Norman warf einen Blick auf die Benzinuhr und sang dann ein paar Minuten mit Tina im Duett « Simply the Best»... Konnte sich optimal vorstellen, wie er seine Hand unter ihren Fummel schob. Weit war’s jedenfalls nicht, bis sie weg war, die Hand. Norman grinste und lehnte sich in den Ledersitz zurück. Der Tank war voll. Spür einfach die Power, sobald du das Gaspedal nur kurz antippst. Wer brauchte da was zu beißen?
Also, du kannst dir zwar sagen, daß du nichts zu essen brauchst, aber dein Magen hört trotzdem nicht zu. Grummelt da unten einfach weiter. Dein Mund wird knochentrocken. Du fühlst dich Scheiße. Besonders jetzt, wo du gerade mit hundertvierzig an einer Tankstelle vorbeibretterst. Nicht ganz so schnell, Mann, oder willst du wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten werden? Du rauschst so nah an der Raststätte vorbei, daß du den Speck und die Eier förmlich riechen kannst. Doppelte Portion Speck mit Eiern. Würstchen dazu. Kaffee in einem dieser Glaskännchen. Toast und geröstetes Brot, zwei Scheiben davon. Tomaten. Als Beilage eine kleine Portion Pilze. Ein Bier zum Runterspülen. Eine Packung Zigaretten. Süße kleine Kellnerinnen, die wie Tina aussehen, mit knackigen Ärschen in winzigen schwarzen Röckchen.
Scheiße, das entwickelt sich ja echt zur Folter.
Eine Zigarette würde die Sache mit dem Hunger regeln. Aber er konnte das Risiko nicht eingehen, sich welche zu kaufen. Vielleicht sollte er einen Tramper mitnehmen? Frag ihn, ob er raucht, bevor du ihn einsteigen läßt. Wenn der Typ nicht raucht, soll er doch auf die nächste Karre warten. Für was hältst du das hier, Mann, für ’ne Bushaltestelle oder was?
Nur... weit und breit kein Tramper in Sicht.
Als er Bristol erreichte, verdichtete sich der morgendliche
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