Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
machst doch gar keine Hausaufgaben. Da brauchst du auch kein Hausaufgabenheft.« Die anderen füllten begeistert ihre neuen Stundenpläne aus. Willst du glückliche Schüler, dann gib ihnen Formulare und Listen.
Auch die Ausbildungsplatzsuche gestaltete sich positiv: »Frau Freitag, abooo , kann ich den Zettel mitnehmen?«
»Miriam, guck hier, dis Heft hier von Handelskammer is voll hamma, da steht alles drin.«
»Frau Freitag, woher haben Sie dieses Buch Berufe aktuell ?«
»Na, das müsstet ihr eigentlich alle bekommen haben. In der Berufsorientierung.«
»Nein, haben wir nicht. Ich schwör, wenn ich dieses Buch hätte, abooo, hier steht sooo viel drin. Wo kriegt man das, Frau Freitag?«
»Im Berufsinformationszentrum. Da waren wir auch schon. Da fandet ihr es sooo schlimm. Erinnert ihr euch?«
Als es klingelt, gehen alle beschwingt in die Pause. Ausbildungsplatzsuche kann ja so einen Spaß machen! Sie fühlen sich schon, als hätten sie bereits mehrere Ausbildungsplätze, nur weil sie mal durch ein paar Prospekte geblättert haben. Eine Bewerbung hat noch keiner geschrieben.
Adden Sie mich auf Facebook
Wenn der Lehrer das Internet entdeckt, dann hat es die Jugend schon fast wieder verlassen. Da ich zu den modernen jungen Menschen unserer Zeit gehöre, bin ich total für soziale Netzwerke.
Seit Jahren bin ich bei Facebook und besuche fast täglich meine Seite, auf der so gut wie gar nichts passiert. Vorbei sind die schönen Anfangszeiten, als ich noch Nachrichten bekam. Eigentlich bräuchte ich gar nicht zu checken – es schreibt mir sowieso niemand. Und neue Freundschaftsanfragen erhalte ich auch recht selten. Allerdings versuchen seit Jahren immer wieder Schüler, sich mit mir auf Facebook anzukumpeln. »Hiie, Frau Freitag, ich bin’s, Erdal, aus Ihrer Englischklasse.« Gerührt klicke ich immer auf – »ablehnen«.
In der Schule dann: »Frau Freitag, warum adden Sie mich nicht auf Facebook?« – »Erdal, ich kann nicht mit Schülern befreundet sein. Ich habe da meine Urlaubsfotos, und das ist dann doch etwas zu privat.«
Erdal: »Ah, Frau Freitag kifft.«
»Nein, darum geht es gar nicht. Aber Lehrer dürfen nicht mit Schülern befreundet sein.«
Aber eines langweiligen Abends habe ich mir dann ein Frau-Freitag-Facebook-Profil eingerichtet und meine Schüler gesucht. Stundenlang habe ich Freundschaftsanfragen verschickt und wurde herzlichst im Kinder-Facebook aufgenommen. Im Gegensatz zu den Schülern von Fräulein Krise trauen mir meine Schüler doch den Grad an Modernität zu, der zum Einrichten eines Profils dazugehört.
Und als ich endlich drin war – Abooo , ich muss schon sagen –, mein Leben hat sich verändert. Im Gegensatz zu meinem erwachsenen Facebook-Leben ist ja auf der Schülerseite geradezu die Hölle los. Da wird gechattet und geaddet, dass es einem nie langweilig wird. Da gibt es Kommunikation non-stop. Und alle sind voll freundlich zu mir: »Frau Freitag, darf ich Sie hier in Facebook duzen?« Meine Standardantwort: »Geduzt wird erst mit Schulabschluss.«
Das Allerschönste allerdings ist, dass sich niemand über meine schlechte Rechtschreibung aufregt. Die gehört einfach dazu.
Manchmal erinnere ich meine Schüler persönlich daran, dass sie die Englischarbeit nachschreiben müssen, erkundige mich aufopfernd und mitfühlend nach ihrer Genesung, wenn sie mal wieder nicht im Unterricht erschienen sind, oder ich vertrödele einfach Zeit, indem ich mit ihnen über sinnlosen Quatsch chatte.
Konflikte mit anderen Lehrern bekomme ich in ausführlichsten Berichten: »Und dann hat sie gesagt und dann hab ich gesagt, und dann hat sie gesagt …« Ich habe immer aufmunternde Worte und bin mir auch nicht zu schade, die Schüler für alles Mögliche im Nachhinein zu loben. »Ayla, heute hast du super mitgemacht in Englisch! So muss das immer sein.«
Ich kann nur sagen, die Einrichtung dieser Überwachungsseite hat sich voll gelohnt. Man sieht, was die sich untereinander erzählen. Ich muss mich jetzt nicht mehr in der Pause an meine Schüler ranschleichen, um sie zu belauschen, sie liefern mir alles frei Haus – inklusive Urlaubsfotos aus Palästina und Kurdistan. Ich bin begeistert!
Wenn Fakten überfordern
»Frau Freitag, wissen Sie eigentlich, dass dieser Obama Muslim ist?«
»Ja, vallah , er heißt Hüssein mit zweite Name. Er ist voll einer von uns, aber auch schwarz und auch Präsident.« Emre und Abdul picken sich aus dem Weltgeschehen mal wieder nur die Details heraus,
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