Volle Deckung Mr. Bush
schwand unsere Angst nicht gerade, als wir den
Massenmord an 3 000 Menschen mitansehen mußten, die
gleichsam vor unseren Augen auf grausamste Weise ausgelöscht wurden. So etwas ist dazu angetan, selbst die hartnäckigsten Skeptiker unter uns davon zu überzeugen, daß da draußen
Menschen lauern, die uns hassen und regelrecht erpicht darauf sind, daß weniger von uns auf der Erde herumlaufen.
Aber warum hassen sie uns? Unser Führer wußte, warum, als
er ein paar Tage nach dem 11. September eine Rede an die
Nation hielt: »Sie wollen, daß wir nicht mehr fliegen, und sie wollen, daß wir nicht mehr shoppen. Aber dieses großartige
-136-
Land wird sich von den Übeltätern nicht einschüchtern lassen.«
Wenn ich sage, es gibt keine terroristische Bedrohung, dann
sage ich damit nicht, daß es keine Terroristen oder keine
Terroranschläge gibt oder daß es in Zukunft keine
Terroranschläge mehr geben wird. Es GIBT Terroristen, und sie HABEN schlimme Anschläge verübt und WERDEN das, leider
Gottes, in nicht allzu ferner Zukunft auch wieder tun. Davon bin ich restlos überzeugt.
Bloß weil es ein paar Terroristen gibt, befinden wir uns aber noch lange nicht in einer besonders bedrohten oder gefährdeten Lage. Wenn aber Bush und Konsorten von Terroristen sprechen, tun sie so, als ob es Millionen von ihnen gäbe, als ob sie überall wären und als ob das auf alle Zeiten hinaus so bleiben würde.
Cheney hat das als die »neue Normalität« bezeichnet, ein
Zustand, der »das Leben in Amerika permanent prägen wird«.
Das hoffen sie aber nur.
Sie nennen es den Krieg gegen den »Terror«. Wie, bitte schön, führt man eigentlich Krieg gegen ein Substantiv? Kriege werden gegen Staaten geführt, gegen Religionsgemeinschaften oder
gegen Völker. Sie werden nicht geführt gegen Substantive oder Probleme, und bislang hat das noch jedes Mal, wenn es versucht wurde - der »Krieg gegen die Drogen«, der »Krieg gegen die
Armut« -, das Scheitern der Kriegsanstrengungen zur Folge
gehabt.
Unsere Führer möchten uns glauben machen, daß dies ein
Guerillakrieg ist, geführt von Tausenden ausländischer
Terroristen/Soldaten, die heimlich in unserem Land leben. Aber das ist es nicht, was sich hier abspielt, und es ist höchste Zeit für einen Realitätscheck. Amerikaner werden sehr selten vom
internationalen Terrorismus und so gut wie nie auf
amerikanischem Boden ins Visier genommen. Im Jahr 2000
betrug die Wahrscheinlichkeit, als Amerikaner in den
Vereinigten Staaten einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen, exakt Null. Im Jahr 2002 betrug diese Wahrscheinlichkeit erneut
-137-
exakt NULL. Und im Jahr 2003, während ich dies schreibe,
erlaube ich mir die Frage: Wie hoch ist die Gesamtzahl der
Menschen, die in den Vereinigten Staaten in diesem Jahr einem Terrorakt zum Opfer gefallen sind? Null. Selbst im tragischen Jahr 2001 betrug euer Risiko als Amerikaner, in diesem Land
euer Leben bei einem Terrorakt zu verlieren, gerade einmal l zu 100000.
Im Jahr 2001 war es viel wahrscheinlicher, daß ihr an der
Grippe oder einer Lungenentzündung dahinscheidet (l :4500),
euch selbst das Leben nehmt (1:9 200), einem Mord zum Opfer
fallt (l : 14000) oder bei einem Verkehrsunfall ums Leben
kommt (l : 6 500). Aber hat sich jemand wegen der Gefahr
verrückt gemacht, auf der Fahrt mit dem Auto zu einer
Konditorei, wo man sich von einem hustenden Jugendlichen ein Herzkrankheiten förderndes süßes Stückchen geben läßt, sein
Lebenslicht auszuhauchen? Nein. Die Selbstmordrate allein
bedeutet, daß IHR im Jahr 2001 eine größere Gefahr für euch
selbst dargestellt habt als alle Terroristen zusammengenommen.
Sämtliche oben zitierten Todesursachen sind weitaus
wahrscheinlicher als der Tod durch Terrorismus, aber deswegen werden keine neuen Gesetze verabschiedet, keine Länder
bombardiert, keine Milliarden Dollar pro Monat an zusätzlichen Mitteln bereitgestellt, keine Einheiten der Nationalgarde
entsandt und kein Alarm der Stufe Orange ausgelöst.
Genausowenig bringt CNN deswegen am unteren
Bildschirmrand fortlaufende Textbänder mit Details, die uns in heillose Panik versetzen. Auch in der Öffentlichkeit keine
Reaktion, abgesehen vielleicht von Gleichgültigkeit,
Verdrängung oder, bestenfalls, jener achselzuckenden
Akzeptanz, daß derlei Tragödien nun mal zum Leben gehören.
Aber wenn auf einmal so viele Menschen so grausam getötet
werden, und dann auch noch live im Fernsehen,
Weitere Kostenlose Bücher